1648 – ein langer Weg zum Frieden
375 Jahre ist es her, dass sich in Münster und Osnabrück Gesandte der Kriegsparteien in den Verhandlungen einigten und der Westfälische Frieden 1648 geschlossen wurde. Europa, 30 Jahre lang in einem Krieg um die Vorherrschaft, um Macht und Einfluss gefangen, wurde nun von diesem Schrecken erlöst. Kaum ein anderes Ereignis zwischen Reformation und Französischer Revolution prägte mehr die Politik in Europa. Der Krieg begann als Religionskrieg und entwickelte sich nach und nach zu einem Machtkrieg.
Die großen sich gegenüberstehenden Mächte waren Schweden, Frankreich, Spanien und der deutsche Kaiser. Die deutschen Reichsfürsten und -stände sowie Regentinnen mit ihren unterschiedlichen Konfessionszugehörigkeiten griffen als Verbündete in den Krieg ein oder waren nur Betroffene und Leidende. Der Krieg in Mitteleuropa, dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches, verschränkte sich mit weiteren Konflikten wie dem Unabhängigkeitskrieg der Niederlande gegen Spanien und dem Streit um die Vormachtstellung im Ostseeraum zwischen Schweden und Dänemark. Der Krieg als Kette von militärischen Auseinandersetzungen spielte sich vor allem auf den Gebieten des Heiligen Römischen Reiches und Böhmen ab.
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Animationsfilm "Pax Westphalica"
Ein erster Einblick
Die Schrecken des Krieges
Allein im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation starben vier Millionen Menschen. Mehr als eine Million Menschen kämpften im jahrelangen Krieg und große Flüchtlingsströme wurden ausgelöst. Die Schrecken des Krieges hinterließen zerstörte und geplünderte Orte, traumatisierte und verarmte Menschen und unzählige Verwundete. Der immer länger andauernde Krieg forderte stetig mehr Soldaten, die Täter und Opfer zugleich waren. Ein prominentes Beispiel einer weiblichen Soldatin ist die Französin Alberte-Barbe de Saint-Baslemont, weitere Nachweise von im Kampf involvierten Frauen sind noch schwierig. Wo sich zunächst nur Abenteuerlustige meldeten, kamen im Verlauf des Krieges immer mehr Verzweifelte hinzu, die keinen anderen Ausweg aus ihrem Elend sahen, als von der Rolle der Gejagten in die Rolle der Jäger zu wechseln. Dabei spielten Konfession und Nationalität kaum noch eine Rolle. Sie plünderten nicht mutwillig, sondern meist aus Verzweiflung und Hunger. Der Anreiz, in die Armee einzutreten, wurde durch die schlechte Finanz- und Wirtschaftslage, die auch das Militär betraf, immer geringer.
Erinnerungen und Aufzeichnungen in schriftlicher und bildlicher Form zeigen das Leben und Leid dieser Zeit.
Der Krieg wurde allerdings nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgefochten, sondern auch auf anderen Ebenen wie zum Beispiel mit Propagandaschriften und illustrierten Flugblättern. Politische Propaganda funktionierte in diesen Medien vor allem durch die negative Darstellung von Symbolen der Gegenpartei. Für die Verliererseite stellte Propaganda auch eine Möglichkeit zur Schadensbegrenzung dar.
Die Sensationslust der Menschen wussten Verleger mit Flugblättern zu stillen. Langsam entwickelten sich Zeitungen, um religiöse und politische Nachrichten mithilfe der Post zu verbreiten. Die breite Berichterstattung machte aus den Geschehnissen erst Ereignisse. Auch Medienkritik ging damit einher und den Nachrichtenblättern wurden bewusste Konflikttreiberei und Fehlinformation vorgeworfen.
Schwierige Verhandlungen
Nach dem jahrzehntelang herrschenden Krieg in Europa war die Sehnsucht nach Frieden und die Hoffnung auf einen Erfolg der westfälischen Friedensverhandlungen groß.
Einen Universalfrieden für die vielen Konflikte in Europa abzuschließen war eine höchst schwierige Aufgabe, deutlich zu erkennen an der Verhandlungszeit von fünf Jahren.
Maximilian Graf von Trauttmansdorff war Minister und Hauptgesandter des Kaisers Ferdinand III. aus Wien und ab 1645 faktisch Leiter der Friedensverhandlungen. Er versuchte den Ausgleich mit den Kronen von Schweden und Frankreich sowie den evangelischen Reichsständen, also Kurfürsten, Landesfürsten und Reichsstädten sowie Regentinnen auszuhandeln und dabei auch die Interessen des Kaisers nicht außer Acht zu lassen. Dabei gab es keine Plenarversammlung mit allen Beteiligten. Stattdessen tauschten sich die Vertreter:innen der Hauptmächte nur über die Gesandten aus und trafen die anderen Diplomat:innen in privaten Wohnungen. Mehrmals entwarf Trauttmansdorff Friedensverträge, die von allen Seiten abgelehnt wurden. Als der kaiserliche Hauptgesandte schließlich 1647 nach Wien zurückkehrte, setzten sich die katholischen und protestantischen Reichsstände an einen Tisch und zwangen die Großmächte durch ihre überkonfessionell organisierte, große Machtposition dazu. In einer neuen Verhandlungsart wurden religiöse von politischen Themen getrennt.
Der ausgehandelte Westfälische Friede bestand schlussendlich aus zwei Verträgen, die am 24. Oktober 1648 unterschrieben und am 18. Februar 1649 anerkannt wurden. In Osnabrück wurde der Vertrag zwischen dem deutschen Kaiser Ferdinand III. und der schwedischen Königin Christina ausgehandelt, der die Abtretungen an Schweden und die neuen konfessionellen Verhältnisse regelte. In Münster wurde der französische Vertrag zwischen Kaiser Ferdinand III. und König Ludwig XIV. von Frankreich beschlossen, in vielem wortgleich mit dem schwedischen Vertrag. Frankreich musste seine Truppen abziehen und der Kaiser verzichtete auf einige Bistümer. Der Krieg zwischen Frankreich und Spanien wurde erst 1659 im Pyrenäenfrieden beendet.
Der Westfälische Friede beendete nicht nur den Dreißigjährigen Krieg, sondern auch den achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieg der Niederlande, deren Friede mit und Unabhängigkeit von Spanien bereits im Mai 1648 in Münster beschlossen wurde.
Städte voller Gesandter
Während der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück verweilten viele Gesandte in den beiden Städten. Die Delegationen hatten allerdings nur einen engen Entscheidungsspielraum. Durch die langen Kommunikationswege zu den Verantwortlichen in den Regierungen sowie den Einbezug der vielen verschiedenen Reichsstände wurden die Diskussionen in die Länge gezogen.
Nach Vertragsabschluss gab die Stadt Münster den Auftrag, Porträts der wichtigsten Gesandten anzufertigen, während Osnabrück sich Bildnisse von den Gesandten schenken ließ. Sie sollten dann die Rathaussäle der Städte schmücken. Diese Bildnisgalerien gingen zurück auf die jahrhundertealte Tradition der Porträtsammlungen des Adels und drückten klassische städtische Repräsentation aus. Ein überaus produktiver Maler war zum Beispiel Anselm van Hulle (1601–1674), der hunderte Gesandte hauptsächlich als Brustbilder porträtierte.
Die Gesandten, die ihren Rang oft pompös und selbstbewusst mit großem Gefolge schon bei der Ankunft demonstrierten, stellten beide Städte vor bisher unbekannte logistische und infrastrukturelle Aufgaben. Durch das Gefolge und die Leibwachen stiegen die Bevölkerungszahlen der Städte um ungefähr ein Fünftel an. Hunderte Besucherinnen und Besucher, Kunstschaffende, Kaufleute oder Vergnügungsunternehmer:innen bewiesen das große Interesse der Öffentlichkeit.
Die Zeit nach 1648
1648 war der Friede noch nicht hergestellt, Fragen wie der Truppenauszug und die Zahlungen an Schweden und Hessen zur Abdankung der Söldner blieben zu klären. So verzögerte sich die Durchsetzung des Friedens. Um Streitigkeiten zu klären, verhandelte man ab 1649 weiter, dieses Mal in Nürnberg. Der Nürnberger Friedensexekutionskongress 1650 verhalf dem Deutschen Reich zu Frieden und die Schweden zogen aus Süddeutschland ab. Aus heutiger politischer Sicht regelte der Westfälische Friede von 1648 vor allem den Waffenstillstand und einige Grundsatzentscheidungen. So führte man in konfessionell gemischten Städten die Parität ein, so wurden etwa alle städtischen Ämter gleichmäßig von Katholiken und Protestanten besetzt. Auch der Krieg zwischen Frankreich und Spanien dauerte bis zum Pyrenäenfrieden 1659 an. Spätere Kongresse zur Friedensfindung orientierten sich an der erfolgreichen Vorgehensweise in Münster und Osnabrück und verhandelten sozusagen im Zeichen des Westfälischen Friedens.
Die deutschen Regierenden wurden eingeschränkt souverän und durften Krieg führen. Das zeigt das Beispiel des Münsteraner Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen (amtierend 1651–1678), der in den Friedensverhandlungen zur kurkölnischen Gesandtschaft gehört und kirchliche Interessen verteidigt hatte. Er betrieb eine aktive Außenpolitik und führte wegen Herrschaftsansprüchen mehrmals Krieg gegen die Niederlande.
Ausblick
Symbole und Mottos des (westfälischen) Friedens – was bleibt?
Der Westfälische Friede legte einen Grundstein für das moderne Prinzip der Gleichberechtigung souveräner Staaten. Die Verhandlungen galten lange als Vorbild zur Friedensfindung. Das Thema Friede ist nicht nur durch das 375. Jubiläum, sondern vor allem durch die aktuellen Geschehnisse in der Welt besonders gegenwärtig, erwünscht und wichtig.
1648 wurde der ausgehandelte Friede in künstlerischen Erzeugnissen aller Art gelobt und gepriesen. PAX OPTIMA RERUM – „der Friede ist das Beste aller Dinge“ oder „der Friede ist das höchste Gut“. Das ist auf der „Medaille auf den Westfälischen Frieden“ von Engelbert Ketteler zu lesen. Der Ausdruck bezeichnet die moralische Verpflichtung der Sieger:innen und ebenso die Erwartung an diese, Frieden zu schließen. Der Schriftzug umrandet die Darstellung weiterer Friedenssymbole wie Palm- und Ölzweig und Taube. Die Verwendung des Friedenssymbols Taube reicht zurück bis ins Alte Ägypten und ist auch ein christliches Bild: Im Buch Mose zeigt sie das Ende der Sintflut an. Als Zeichen für Friedfertigkeit, Unschuld und Frömmigkeit findet sie sich in der Bildsprache des Westfälischen Friedens und wird bis heute verwendet. Auch die Darstellung des Postreiters war 1648 ein Bild des Friedens: Ein Reiter, der die Friedensbotschaft verkündet – denn mit der Bekanntmachung des Friedensschlusses trat der Frieden ein, schwiegen die Waffen. Der Friedensreiter ist auf dem Flugblatt zur Friedensverkündung 1648 zu sehen. Wie der Reiter die Botschaft überall verkündete und Frieden brachte, so wurden auch die Flugblätter, auf denen er abgebildet ist, auf der Straße verkauft und die Nachricht auf diese Weise schnell im Reich verbreitet.