Hermann tom Ring Das Weltgericht, 1555
Das Ende der Welt! Christus richtet, straft und belohnt die Menschen. Hermann tom Ring malte dieses Altarbild 20 Jahre nach dem Untergang des Täuferreiches (1535) für die Kirche des Fraterhauses in Münster. Zwischen Himmel und Erde signalisieren vier Posaunenengel, dass Gottes Gericht beginnt. Geöffnete Bibeln bezeugen, dass die biblische Ankündigung wahr wird: Christus, erleuchtet von dem Gottesnamen und inspiriert von der Taube des Heiligen Geistes, thront im Kreis der Apostel und Heiligen auf dem Regenbogen – seit der Erzählung von der Arche Noah ein Symbol der Versöhnung Gottes mit den Menschen. Er urteilt nach dem Buch des Lebens, das die Namen und alle Taten der Menschen enthält und das ein Engel, nackt wie die Wahrheit, emporhält. Die aus den Gräbern Auferweckten werden – im unteren Bereich des Bildes – geteilt in die Auserwählten links, die von Engeln in den Himmel geleitet werden, wo himmlische Freuden sie erwarten, während die Verdammten in der rechten Bildhälfte von Teufeln in die Hölle gezerrt werden. Hoffnung stiften ihnen die Fürbitter der Menschen vor Gott, die außen knien: Maria, die Mutter Christi, und sein Vorgänger Johannes der Täufer. Vorn links, von einem Engel zu den Auserwählten gerufen, knien die Stifter des Bildes, zwei Fraterherren – ihre Kirche war von den Täufern im Bildersturm verwüstet worden. Christus stützt die Füße auf einen Reichsapfel. Dieses Königssymbol meint den christlich beherrschten Kosmos, Himmel und Erde, und verweist hier auf die 20 Jahre zurückliegende Täuferzeit: Der von zwei Schwertern durchstoßene Reichsapfel war das Symbol des Täuferkönigs Jan van Leiden gewesen. Wahrscheinlich sind auch Täufer unter den Verdammten porträtiert. Die Bibeltexte in den Büchern und auf dem Regenbogen beziehen sich auf das Jüngste Gericht und beglaubigen quasi die Darstellung: Im linken geöffneten Buch wird das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen zitiert (nach Matth. 25,10–13): »Wachet, denn ihr wisst nicht Tag und Stunde des Gerichts.« Genau das – den Zeitpunkt des Gottesgerichts – hatten die Täufer zu berechnen versucht, dabei das Leben in Münster revolutioniert und nach biblischen Vorbildern radikal neu ausgerichtet. Das wird hier kritisiert. Geschenk des Kunstvereinsvorsitzenden Clemens Freiherr Heereman von Zuydtwyck 1885 an den Westfälischen Kunstverein, Münster
Gerd Dethlefs
Angelika Lorenz (Hrsg.): Die Maler tom Ring [Ausst. Kat. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster], Münster 1996, Bd. 1, S. 314–317, 356/357 (Vorzeichnung), 556/557.
Leihgabe des Westfälischen Kunstvereins
Maße
Höhe 164.5 cm Breite 134 cm
Material
Öl, Eichenholz Inventarnummer
76 WKV Standort
Raum 1.14 Kunstwerk des Monats
KdM_10_2012.pdf