Hermann tom Ring Selbstbildnis, 16. Jh.
Das Selbstbildnis des 23-jährigen Hermann ähnelt in seiner Haltung – leicht nach links gewandte Halbfigur hinter einer Brüstung – dem drei Jahre zuvor entstandenen Selbstporträt seines Vaters. Ausdruck, Farbigkeit und Kontur sind allerdings milder und weicher modelliert. Der Sohn demonstriert sein Selbstbewusstsein weniger im Blick und in der Haltung als in Attributen und Beschriftung. Oben rechts steht das Familienwappen, links das sogenannte Künstlerwappen, das später als Wappen der Sammelgilde der Maler, Glaser und Sattler überliefert ist, darunter die Beschriftung D H + M R 1544 20. Sie ist zu lesen als Depictum Hermannus Meler Ringius, das Datum mit dem gleichschenkligen Dreieck als Delta für die Monatsbezeichnung wurde als 20. April 1544 aufgelöst. Eine eindeutige Klärung seht noch aus. Auf der Brüstung ist das Monogramm Hermanns eingemeißelt, seine Hände halten Skizzenbuch und Stift. Im Unterschied zu seinem Vater verbindet der Sohn das Motiv der Brüstung mit einer frontalen Schrifttafel, wie sie in den 20er Jahren schon auf Dürers Porträtstichen erscheint und die der Soester Heinrich Aldegrever ebenfalls häufig in seinen graphischen Bildnissen zur näheren Kennzeichnung des Dargestellten einsetzt. Im Selbstbildnis Hermann tom Rings liest man in Übertragung aus dem Niederdeutschen: Ich Hermann tom Ring, Maler genannt, bin erstgeboren als man das Jahr 1521 hatte, die fünfundzwanzigste Stunde meine ich. Habe mich nachmals porträtiert in dem Jahr und an dem Tag, wie es oben steht. Die fünfundzwanzigste Stunde ist aufzulösen als 1 Uhr am 2. Januar des Jahres 1521. Diese merkwürdig versteckte Form der Geburtsangabe wiederholte der Maler noch einmal auf einem Tafelbild 1594. Wahrscheinlich sollte hiermit eine ungünstige Planetenkonstellation verschleiert werden. Nach dem Zeitglauben war der Stand der Gestirne zur Geburtsstunde schicksalbestimmend für das ganze Leben, wobei die den Monaten und Tagen zugeordnete Regentschaft eines Planeten mit entsprechenden Charaktereigenschaften versehen wurde. Hermann tom Ring, im Januar im Zeichen des melancholischen Saturn und nicht im Zeichen des den Künstlern und Gelehrten zugeordneten positiven Merkur geboren, wollte diese Tatsache wohl verbergen. Astrologische Kenntnisse dürfen bei allen Mitgliedern der Malerfamilie schon durch ihre Arbeit an der astronomischen Uhr des Domes vorausgesetzt werden. Hermann tom Ring fertigte sein Selbstbildnis nach der Gesellenzeit in der väterlichen Werkstatt wohl in dem Jahr an, als er Meister wurde. Er präsentiert sich in ihm weniger "solitär" als sein Vater, sondern umschreibt seine Person, sein Standesbewusstsein, durch ein Geflecht aus Zeichen, die auf Herkunft, Erstgeburt, Traditionszusammenhang und Beruf verweisen.
Angelika Lorenz
Erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen
- o. J. (vor 1924)–1973 Sammlung Familie von und zur Mühlen, Bösensell
- 1973 erworben