Lucas Cranach, der Ältere Urzeitliche Menschen, um 1530
Lucas Cranach der Ältere zählt zu den bedeutendsten Künstlern der deutschen Renaissance. In seiner Werkstatt entstand um 1530 das Gemälde „Urzeitliche Menschen“, dessen Inhalt Kunsthistorikern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Rätsel war. Zunächst wollte man hierin eine biblische Szene erkennen, „Adam und Eva nach dem Sündenfall“, die das Pendant zu Cranachs „Adam und Eva (der Sündenfall)“ mit derselben Provenienz (114 WKV) abgegeben hätte. Um die beiden, vermeintlichen Pendants einander im Format anzugleichen, wurde „Urzeitliche Menschen“ vermutlich noch im 19. Jahrhundert an beiden Seiten um je 4 cm ergänzt. Im Folgenden wurde von einer biblischen Szene als Darstellungsgegenstand Abstand genommen und eine mythologische Darstellung für wahrscheinlicher gehalten. Vorgeschlagen wurden als Themen „Das Goldene bzw. das Silberne Zeitalter“ nach der Erzählung der antiken Autoren Hesiod und Ovid. Das Gemälde unterscheidet sich allerdings sowohl von Cranachs eigenen Bildfindungen zum „Goldenen Zeitalter“ (München/Oslo) als auch von dessen Textquellen, weshalb es nicht Gegenstand der Darstellung sein kann. Auch das „Silberne Zeitalter“, das lange der Namensgeber für eine Gruppe von insgesamt sechs Gemälden (Weimar, Schlossmuseum; Privatbesitz; Moskau, Puschkin-Museum; London, National Gallery; Paris, Louvre; Münster, LWL-Museum für Kunst und Kultur) war, kann nicht dargestellt sein – zu groß sind auch hier die Unterschiede zu den Schriftquellen. Überzeugender ist dagegen, dass Cranachs Münsteraner Gemälde „Urzeitliche Menschen“ darstellt, die sich ebenso auf klassische Texte wie auf die schon im Mittelalter verbreitete Vorstellung von den „Wilden Leuten“ zurückführen lassen. Diese urzeitlichen Menschen aus der mythologischen Vorzeit werden von Cranach der Jetztzeit gegenübergestellt, die in Gestalt der zeitgenössischen Städte und Burgen im Hintergrund präsent ist. Cranachs Gemälde mit dem neuen Titel Urzeitliche Menschen erfüllte damit eine erzieherische Funktion, indem es das kämpferische Verhalten der Männer und die mütterliche Fürsorge der Frauen aus der Urzeit als Tugendexempla vorführte.
Judith Claus
Leihgabe des Westfälischen Kunstvereins
- 1879 erworben durch den Westfälischen Kunstverein, Leihgabe
Maße
Höhe 60 cm Breite 42.2 cm
Material
Öl, Eichenholz Inventarnummer
114 WKV Standort
Raum 1.12 Kunstwerk des Monats
KdM_07_2021.pdf