Lucas Cranach, der Ältere Adam und Eva (der Sündenfall), 1525
Auch im Zeitalter der Reformation und der Glaubenskämpfe blieben religiöse Darstellungen in der deutschen Kunst noch gefragt, zumal Luther, anders als in den calvinistisch reformierten Gebieten, vor allem das Bilderwesen um den Heiligenkult ablehnte, aber illustrativen, erzählenden Stoffen gegenüber offen war. Zu den beliebtesten Bildthemen zählte der Sündenfall. Für die Künstler bot er Gelegenheit, sich in unverfänglicher Weise mit der Darstellung des Nackten, dem Akt, zu beschäftigen. Für Auftraggeber beziehungsweise Käufer hatte die Urszene der Verführung erotischen Reiz und offerierte Anknüpfungspunkte zur Definition des Verhältnisses der Geschlechter. Lucas Cranach d. Ä., selbst dem neuen Glauben anhängend, bediente diese Bilderwünsche in seiner Wittenberger Werkstatt auf sehr erfolgreiche und einträgliche Weise. Prägend für die künstlerische Umsetzung des Themas im 16. Jahrhundert wurde Dürers Kupferstich Adam und Eva aus dem Jahr 1504. Nach dem Vorbild antiker Statuen führt dieser das erste Menschenpaar im eleganten Kontrapost vor. In ihrer anatomischen Korrektheit und den exakt berechneten Proportionen erscheinen die Körper in renaissancehafter Strenge durch den Baum mit der Schlange mehr getrennt als zusammengebracht. Anders als das große künstlerische Vorbild ist Cranach mehr an der weichen Schönheit der nackten Körper und nicht an deren klassischem Ideal interessiert. Sein erstes Menschenpaar ist ein Liebespaar, nah beieinanderstehend und in zärtlicher Geste verbunden. Die Überbringerin der verführerischen Frucht hat sich zurückgezogen, dargestellt ist ein Moment des Innehaltens vor dem eigentlichen Sündenfall, geprägt von sprechenden Blicken. Die Urszene der Sünde wird emotionalisiert und durch die Einbettung in einen Nadelwald nordalpin definiert. Cranachs Adam ist kein antikisierender Jüngling wie bei Dürer, sondern ein erwachsener Mann mit zeitgenössischer Haar- und Barttracht. Diese Bildformulierung einer »deutschen« Version der paradiesischen Verführung – durchaus auch im Wettbewerb mit dem Nürnberger Meister zu sehen – war sehr gefragt. Cranach ließ sie in seiner Werkstatt für den freien Markt in Serie produzieren. Über 50 Ausführungen des Themas auf qualitativ hohem künstlerischen Niveau lassen sich nachweisen. Das Bild des Museums, versehen mit dem Qualitätszeichen der geflügelten Schlange, der Signatur des Malers, gehört dazu.
Angelika Lorenz
Heydenreich, Gunnar: Lucas Cranach the Elder. Painting Materials, Techniques and Workshop Practice. Amsterdam 2007. Temptation in Eden. Lucas Cranach’s Adam and Eve [Ausst. Kat.] Courtauld Institute of Art Gallery. London 2007. Schoen, Christian: Albrecht Dürer: Adam und Eva. Die Gemälde, ihre Geschichte und Rezeption bei Lucas Cranach d. Ä. und Hans Baldung Grien. Berlin 2001
Leihgabe des Westfälischen Kunstvereins
Maße
Höhe 59.2 cm Breite 42 cm
Material
Öl, Eichenholz Inventarnummer
113 WKV Standort
Raum 1.12 Kunstwerk des Monats
KdM_12_2007.pdf