Westfalen Bockhorster Triumphkreuz, Ende 12. Jh.
Monumentale Triumphkreuze markierten, oft in Verbindung mit einem Lettner (von lateinisch lectorium = Lesetribüne), die Grenze zwischen dem Kirchenschiff als Ort der Gemeinde und dem Chor als Ort der Geistlichkeit. Sinnfällig ist die Verbindung mit dem Kreuzaltar am Lettner, wo die Gemeinde die Messe feierte. Der Name Triumphkreuz verweist auf den Sieg des auferstandenen Christus (lateinisch christus triumphans) über den Tod. Eindringlich führt das Bildwerk den Moment des Sterbens Christi am Holzkreuz vor Augen: Der mit vier Nägeln angeschlagene Körper hängt schwer an den nahezu durchgestreckten Armen, der große Kopf mit der hohen Palmettenkrone ist nach vorn gefallen, die Augen halb geschlossen, der Mund wie zum letzten Atemzug leicht geöffnet. Scharf zeichnen sich die Rippen am Oberkörper ab, das Lendentuch ist in ornamental wirkende Falten gelegt. Allerdings sollte man sich von dem Eindruck, den das expressive, fast modern anmutende Werk beim heutigen Betrachter hinterlässt, nicht über das ursprüngliche Erscheinungsbild hinwegtäuschen lassen. Die Skulptur war vollständig in kräftigen Farben gefasst, Vorbildern aus der Buch- und Tafelmalerei folgend: Die Krone vergoldet, das Lendentuch dunkelviolett, die Haare schwarz, die Haut rosafarben, vermutlich mit Blutstropfen an den Armen und der Seitenwunde besetzt. Das Kreuz selbst erschien als grün belaubter Lebensbaum, gleichfalls Ausdruck der Überwindung des Todes durch das Opfer Christi. Ausdruck dieses Sieges sind auch die an den Balkenenden angebrachten vier apokalyptischen Wesen Engel, Stier, Löwe und Adler. Sie versinnbildlichen die vier zentralen Ereignisse der Heilsgeschichte: Menschwerdung, Opfertod, Auferstehung und Himmelfahrt. Das gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstandene Bockhorster Triumphkreuz verbindet auf höchstem künstlerischen Niveau den menschlich leidenden Gottessohn mit dem siegreichen Weltenherrscher, der nach christlicher Vorstellung zum Jüngsten Gericht wiederkehren wird. 1894 auf dem Dachboden der dem Heiligen Kreuz geweihten Dorfkirche zu Bockhorst gefunden und nach Münster geschenkt, ist die Skulptur für den dortigen bescheidenen Kirchenraum eigentlich zu groß. Auf eine besondere Verehrung der Skulptur deutet eine Öffnung im Kopf hin, die ehemals kostbare Reliquien barg. Die Kirche wurde wohl im 12. Jahrhundert von einem adeligen Grundherrn gestiftet, der wahrscheinlich Vogt des 1080 gegründeten Benediktinerklosters Iburg war.
Petra Marx/Gerd Dethlefs
Manuela Beer: Triumphkreuze des Mittelalters. Ein Beitrag zu Typus und Genese im 12. und 13. Jahrhundert. Regensburg 2005. Kat. Nr. 10. Gerhard Lutz: Das Bild des Gekreuzigten im Wandel. Die sächsischen und westfälischen Kruzifixe der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Petersberg 2004. Kat. Nr. 70. Petra Marx: Bockhorster Triumphkreuz, Ende 12. Jahrhundert, in: Einblicke – Ausblicke. Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, hrsg. v. Hermann Arnold, im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wienand Verlag, Köln 2014, S. 62f.
Schenkung der Kirchengemeinde Bockhorst, 1894
Maße
Höhe 345 cm Breite 223 cm Tiefe 45 cm
Material
Eichenholz Inventarnummer
E-10 LM Standort
Raum 1.01 Kunstwerk des Monats
KdM_04_1985.pdf