Westfalen Weibliche Heilige, um 1080/1090
Die drei Sandsteinreliefs mit zwei römischen Soldaten und einer weiblichen Figur stellen die ältesten Werke der Steinbildkunst in Westfalen dar. Sie gehören zu einer Gruppe von ursprünglich zehn oder zwölf Relieftafeln von den Osttürmen der ehemaligen Kanoniker-Stiftskirche St. Mauritz. Dort befinden sich heute Kopien der drei Originale sowie weitere stark überarbeitete Reliefs, die ihren mittelalterlichen Charakter jedoch verloren haben. Es ist anzunehmen, dass sie während der Amtszeit des von 1084 bis 1097 in Münster wirkenden Bischofs Erpho angefertigt wurden und ehemals den Westbau der Stiftskirche schmückten. Nach damaliger Vorstellung drohten aus der Richtung der untergehenden Sonne Geister und Dämonen; die gerüsteten Männer hätten hier eine Unheil abwehrende (apotropäische) Funktion gehabt. Denkbar ist aber auch der Zusammenhang mit einer ehemaligen Altar- oder Grabanlage. An der typischen Lanzettfahne ist einer der beiden Soldaten als der Kirchenpatron, der heilige Mauritius, erkennbar. Er erlitt der Legende nach zusammen mit seiner Truppe, der sogenannten Thebäischen Legion, 290 n. Chr. im Wallis das Martyrium. Vermutlich waren auf den heute nicht mehr existierenden Reliefs noch weitere Mitglieder dieser Legion dargestellt. Diesen frühchristlichen Märtyrern hat Bischof Erpho nach einer Pilgerreise ins Heilige Land seine spätere Grabeskirche geweiht. Bei der heiligen Frau mit Schleier, Haube und Kopfspange könnte es sich um Maria handeln – das gesamte Figurenprogramm kann nicht klar gedeutet werden. Der schwarze heilige Mauritius (dt. Moritz, »Mohr«) zählte im Mittelalter zu den bedeutendsten Ritterheiligen und war auch bei Adligen sehr beliebt. In der Feinheit und Genauigkeit ihrer künstlerischen Bearbeitung erinnern die Steinreliefs an zeitgleiche, das heißt am Ende des 11. Jahrhunderts entstandene Werke der Schatzkunst wie Elfenbein- oder Goldschmiedearbeiten.
Petra Marx
Petra Marx: Münster, St. Mauritz, Drei Heiligenreliefs. In: Wittekind, Susanne (Hg.): Romanik. Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland (Bd. 2). München 2009. Kat. Nr. 68. Géza Jászai: Drei Reliefs aus der St. Mauritz-Stiftskirche zu Münster. In: Imagination des Unsichtbaren (Bd. 1) [Ausst. Kat.] Münster 1993. Kat. Nr. A 8.3. Joachim Poeschke [u. a.]: Mittelalterliche Kirchen in Münster. München 1993. S. 94–114. Petra Marx: Drei Heiligenreliefs aus St. Mauritz in Münster, in: Einblicke – Ausblicke. Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, hrsg. v. Hermann Arnold, im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wienand Verlag, Köln 2014, S. 56f.
Maße
Höhe 96 cm Breite 43 cm Tiefe 15 cm Gewicht 100 kg
Material
Baumberger Sandstein Inventarnummer
D-15 LM Standort
Raum 1.02 Kunstwerk des Monats
KdM_05_2015.pdf