Nordfrankreich Fragment eines gekreuzigten Christus mit Reliquienbrosche, um 1080/90
Die exquisite Schnitzarbeit könnte von einem Buchdeckel oder einem Reliquiar stammen. Darauf deutet die abgeflachte Rückseite hin. Die heute verlorenen Arme und Unterschenkel waren separat gearbeitet und angestückt. Auch scheint die Christusfigur ehemals eine Krone oder einen Reif aus Edelmetall getragen zu haben, was den kostbaren Eindruck der Skulptur noch verstärkt haben wird. Die Brust ziert eine beschädigte Brosche, in der sich möglicherweise unter einem Edelstein eine Reliquie befand. Christus ist im Moment seines Todes dargestellt, die Augen halb geschlossen, der Kopf kraftlos nach links niedergesunken. Der schmale Oberkörper ist durch hervortretende Rippenbögen und einen leicht gewöbten Bauch gekennzeichnet. Damit kontrastiert überaus kunstvoll das in scharfgratige Zackenfalten gelegte Lendentuch mit dem breiten Gürtel (cingulum); die Säume des Tuches und der Gürtel sind mit einem Edelsteinbesatz imitierenden Ornament geschmückt. Das Fragment wird in der Forschung in das ausgehende 11. Jahrhundert datiert, als Entstehungsort kommt das Maasland oder Nordfrankreich, hier eventuell die Gegend um Saint-Omer in Frage. Von dort stammen verwandte Walross-Schnitzereien, die u.a. in Köln (Museum Schnütgen) Lille (Musée des Beaux Arts) aufbewahrt werden. Das verwendte Materiel bildete im Hochmittelalter einen günstigeren und in Europa greifbaren Ersatz zum teureren Import-Elfenbein aus Afrika und Asien.
Petra Marx
Leihgabe des Bistums Münster
Maße
Höhe 12.5 cm Durchmesser 3.6 cm
Material
Walrosszahn, Metall Inventarnummer
BM 399 Standort
Raum 1.03 Kunstwerk des Monats
KdM_11_2003.pdf