Westfalen Kasel mit Kreuzigung, Samt: Italien, 2. Viertel 15. Jahrhundert; Seidenstickerei auf Leinen: Westfalen, Mitte 15. Jahrhundert
Die Kasel entwickelte sich aus dem römischen Überziehmantel und ist ein liturgisches Obergewand der Priester, das bei der heiligen Messe getragen wird. Das spätmittelalterliche Stück ist aus kostbarem Samt und golddurchwirkter Seide auf Leinen gefertigt. Der Samt trägt ein weinrotes Granatapfelmuster und ist in Bassgeigen-Form geschnitten. Auf der Rückseite der Kasel ist ein golddurchwirkter Stoffbesatz aus Leinen in Form eines lateinischen Kreuzes aufgenäht. Die Vorderseite der Kasel ist mit einem Kaselstab, ebenfalls aus golddurchwirktem Leinen, geschmückt. Beide Besatzelemente sind durch farbige Seiden- und Goldstickereien mit christlichen Motiven versehen. Auf dem Kaselkreuz ist ein weiteres Kreuz mit der Kreuzigungsszene, den vier Evangelistensymbolen, mit Maria und den Apostel Johannes sowie mit dem heiligen Augustinus appliziert. Auf dem Kaselstab sind übereinander drei Heilige mit den Beischriften „Lambertus“, „Franciscus“ und „Crystyna“, jeweils auf einem kantig eingeschnittenen Grassockel stehend dargestellt. Direkt unter dem Halsausschnitt der Kasel ist noch eine sogenannte Kölner Borte mit dem Buchstaben „B“ im Blütenkranz aufgenäht. Aufgrund der hohen Qualität der Stickereien lässt sich vermuten, dass die Kasel von professionellen Stickern angefertigt wurde. Die Entstehungszeit der Kaselbesätze ist um die Mitte des 15. Jahrhunderts festzulegen. Die Herkunft der Kasel ist unbekannt, doch lässt sich wegen des früheren Aufbewahrungsortes im Bischöflichen Diözesanmuseum Münster und den Parallelen zur westfälischen Tafelmalerei jener Zeit vermuten, dass der Ursprung der Stickereien westfälisch ist. Besonders im Mittelalter diente die Kasel mit ihrem Bilderschmuck und ihrer Farbe zur Unterweisung und Orientierung der Gemeinde, vor allem den Schreib- und Leseunkundigen. Somit stellt die Kasel ein wesentliches Element des Gottesdienstes dar. Auch heute noch hat die hier vorgestellte Kasel eine besondere Bedeutung für die Geschichte, da sie vom sakralen Ritus und der Ausstattung mittelalterlicher Kirchen zeugt.
Ekaterina Dudka
Géza, Jászai (Hg.): Imagination des Unsichtbaren. 1200 Jahre Bildende Kunst im Bistum Münster [Ausst. Kat. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1993], Bd. 2, Münster 1993.
Kluge, Dorothea: Westfälische Kaselstäbe des 15. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der Stickerei und des Stickereigewerbes, in: Westfalen 37, 1959, S. 214-235, bes. S. 219-227, 217, Abb. 145.
Leihgabe des Bistums Münster
Maße
Höhe 131 cm Breite 79 cm
Material
Samt Inventarnummer
BM 529 Standort
Raum 1.03 Kunstwerk des Monats
KdM_10_2021.pdf