Jan Boeckhorst Achilles unter den Töchtern des Lykomedes, um 1650
Eine griechische Sage berichtet von Achilles, der – als Mädchen verkleidet – seine Jugend am Hof des Königs Lykomedes zusammen mit dessen Töchtern verbringt. Nach dem Plan seiner Mutter soll er so dem geweissagten Tod im Trojanischen Krieg entgehen. Als die Griechen zum Krieg gegen Troja rüsten, schicken sie Odysseus und seine Begleiter auf die Suche nach Achilles, da er, gemäß einer Prophezeiung, unverzichtbar für ihren Sieg sei. Um ihren Kampfgefährten unter den Mädchen zu erkennen, bedienen sie sich einer List und breiten kostbaren Schmuck und Waffen vor ihnen aus. Der Held ist enttarnt, als er – anders als die Mädchen – seine Hände nach den Waffen ausstreckt. Ein zentraler Aspekt barocker Malerei ist ihr Bemühen, menschliche Verhaltensweisen exemplarisch an Gestalten und Ereignissen aus Geschichte, Mythologie und Religion darzustellen. Personen werden zu Handlungsträgern von Moral und Unmoral, verkörpern Tugend oder Leiden. Auch dieses Bild ist eines jener barocken Lehrstücke. Mit der in die Geschichte eingebetteten doppelten List wählte Boeckhorst eines der wichtigsten Leitmotive aus der zeitgenössischen Dichtung. Es ist das aus der aristotelischen Poetik stammende Motiv des Wiedererkennens, das in der Aufdeckung einer Täuschung, eines Irrtums, gründet. Der verkleidete Achilles verkörpert das Prinzip der Täuschung, der listenreiche Odysseus das der Auflösung. Deren Höhepunkt, den Moment des Erkennens, hält der Maler in seinem Gemälde fest. Der in Münster geborene Maler, der Karriere in Antwerpen gemacht hatte und dort bei den führenden Malern Antonis van Dyck und Jakob Jordaens, vor allem aber bei Peter Paul Rubens gelernt hatte, setzt in seiner Bilderzählung den malerischen Kanon seiner Lehrmeister erfindungsreich um. Dieser ist gekennzeichnet durch eine gewisse Monumentalität, ein helles Kolorit und einen neuen erzählerischen Duktus, in dem Gesten, Bewegungen und ein dynamisch-lockerer Farbauftrag die Handlung begleiten.
Angelika Lorenz
Luckhardt, Jochen / Vlieghe, Hans (Hg.): Jan Boeckhorst 1604–1668, Maler der Rubenszeit [Ausst.-Kat. Rubenshaus, Antwerpen 1990 / Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1990], Antwerpen/Münster 1990.
Lahrkamp, Helmut: Ergänzungen zum Werkverzeichnis des Malers Johann Boeckhorst, in: Westfalen 63, 1985. S. 6–13.
Lahrkamp, Helmut: Der "Lange Jan". Leben und Werk des Barockmalers Johann Boeckhorst aus Münster, in: Westfalen 60, 1982. S. 1–198.
Leihgabe aus Privatbesitz
- seit 1991 Dauerleihgabe aus Privatbesitz
Maße
Höhe 118 cm Breite 160 cm
Material
Öl, Leinwand Inventarnummer
1968 LG Standort
Raum 1.19 Kunstwerk des Monats
KdM_04_1994.pdf