Ferdinand Georg Waldmüller Porträt eines Kartographen mit seiner Frau, 1824
„Gottlieb Biedermaier“, ein fiktiver Charakter aus der Münchner Wochenschrift „Fliegende Blätter“, fungierte um 1900 als Namensgeber für die Zeitspanne zwischen dem Wiener Kongress 1814/15 und dem Beginn der bürgerlichen Revolution 1848. Mit dessen treuherziger, konservativer Art karikierte man rückblickend das vermeintlich kleingeistige Spießbürgertum der deutschsprachigen Länder jener Zeit. Während auf dem Wiener Kongress über die Wiederherstellung alter Gesellschaftsstrukturen debattiert wurde, gewann der Wunsch nach Reformen und sozialer Erneuerung in der Arbeiterklasse immer mehr an Nachdruck. Im Bürgertum hatte dies den Rückzug ins Private und die Wertschätzung allen Häuslichen zur Folge. Besonders in der Malerei und ihrer Motivwahl trat dies deutlich zu Tage – die Familie und die Menschen des Bürgertums waren bildwürdig geworden und beauftragten Maler mit der Anfertigung ihrer Porträts. Die besonders heute als „bieder“ empfundenen Familienidyllen sind meist in fotografischer Genauigkeit gemalt. Genau diese Detailliebe ist es, die auch die Kunst des österreichischen Malers Ferdinand Georg Waldmüllers (1793–1865) ausmacht. Das Doppelporträt von 1824 verortet die Dargestellten, einen Kartografen und seine Ehefrau, in einem der Privaträume des Paares. Während der Ehemann an seinem Schreibtisch sitzt und gerade an der Ausarbeitung eines Grundrisses arbeitet, scheint seine Gattin in voller Ausgehgarderobe just in diesem Moment zu ihm getreten zu sein, um ihm einen Blumenstrauß zu bringen. Mit den bunten Rosen hinterlässt die Dame des Hauses einen bleibenden Duft im Refugium ihres arbeitenden Gatten und gleichzeitig ein symbolisches Zeichen ihrer treuen Liebe. Diese Geste verdrängt jedoch nicht die distanzierte Strenge zwischen dem Paar, die durch das Fehlen des Augenkontakts und die nüchterne Mimik beider entsteht. Besonders bemerkenswert ist die beinahe fotografisch genaue Ausarbeitung der zeitgenössischen Mode und der verschiedenen Texturen, die Waldmüllers Gemälde einen besonderen Glanz verleiht. Dies und die Anspielung auf Kunstwerke großer Meister – wie Jan Vermeer van Delft (1632–1675) und sein Gemälde „Die Allegorie des Glaubens“, das an der Wand hinter dem Schreibtisch des Kartografen hängt – soll die hohe gesellschaftliche Stellung der Porträtierten sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig gibt dies dem Künstler die Gelegenheit, sein Können mit dem Vermeers zu messen. Solche bewusst genutzten ikonografischen Hinweise sind nicht ungewöhnlich in der Porträtmalerei, so nutzt der Maler alle Mittel, um das Wesen seines Auftraggebers einzufangen oder zumindest ihn im „gewünschten“ Licht erscheinen zu lassen.
Marie Meeth
Buchsbaum, Maria: Ferdinand Georg Waldmüller, 1793–1865, Salzburg 1976. Schröder, Klaus Albrecht: Ferdinand Georg Waldmüller, München2 1991. Husslein-Arco, Agnes / Grabner, Sabine (Hgg.): Ferdinand Georg Waldmüller, 1793–1865 [Ausst.-Kat. Paris / Wien 2009], Wien 2009.
Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland
- seit 1967 Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland
Maße
Höhe 40.9 cm Breite 32.6 cm
Material
Öl, Eichenholz Inventarnummer
1161 BRD Standort
Raum 1.28 Kunstwerk des Monats
KdM_07_2019.pdf