Ferdinand Georg Waldmüller Dame mit Kind, 1855
Waldmüller war der bedeutendste Maler des Wiener Biedermeier und ein hervorragender und vielseitiger Techniker, der alle wichtigen Themen der Epoche – Porträt, Landschaft, Genre – in einem umfangreichen OEuvre überliefert hat. Seine freundlich lächelnde Dame mit Kind steht für die Kultiviertheit seiner Porträtaufträge, die vor allem in aristokratischen und großbürgerlichen Auftraggeberkreisen sehr geschätzt war. In diesem sozialen Umfeld ist auch diese Mutter zu Hause – flankiert von dicht gedrängt stehendem neobarocken Wiener Silber auf einem Tischchen links, umhüllt von einer Seidendecke und einem der kostbaren feinen Kaschmirschals, einem Statussymbol der Zeit, und Schmuck zeigt sie sich in selbstverständlichem Reichtum. Die kostbare Kamelienblüte, die ihr Sohn dem Betrachter entgegenstreckt – ein Mädchen hätte sich im Geschlechterverständnis der Zeit anschmiegsamer und nicht mit keck gerecktem Fuß in einem Porträt gefunden –, verstärken noch diesen Eindruck. Thema des Porträts ist wohl der Geburtstag des Vaters, den Mutter und Sohn, beide noch leger bekleidet, mit einem morgendlichen Blumengruß und Glückwünschen begehen. In früheren Zeiten feierte man Geburtstage vornehmlich am Morgen auf diese Weise, häufig auch mit der Darbietung eines Ständchens. Waldmüller setzt diese Szene familiären Glücks, in die noch ein weiteres, vielleicht schon verstorbenes Kind im Porträt einbezogen ist, effektvoll durch das Licht modelliert in Szene. Der Wiener Maler, der Zeit seines Lebens der Wahrheit der Kunst in der direkten Naturanschauung nachspürte, ging in seinen Landschaften bei der Erfassung des Lichtes einen großen Schritt in die Richtung, die später die Impressionisten einschlagen sollten. In seinen Bildnissen, die er meist nicht statisch, sondern als bewegtes Handlungsporträt gestaltete, ist das Licht Stimmungs- und Raumelement, in dem sich Körper, Stoffe und effektvoll ausgeleuchtete Details in bühnenhafter Inszenierung finden. Diese Porträts sind geprägt von einem hohen Grad an Vitalität und Affirmation, so auch das Bild der Sammlung, das ein vielbeschworenes Ideal der Zeit, das Glück der Familie, feiert.
Angelika Lorenz
Husslein-Arco, Agnes, u. Sabine Grabner (Hg.): Ferdinand Georg Waldmüller. Wien 2009. Feuchtmüller, Rupert, u. Claudia Wöhrer: Ferdinand Georg Waldmüller 1793–1865. Leben – Schriften – Werke (mit Werkverzeichnis). Wien 1996. Schröder, Klaus Albrecht: Ferdinand Georg Waldmüller. München 1991.
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