
Andreas Siekmann Aufzeichnungen aus einem postfaktischen Zeitalter (Chittagong II), 2016
Andreas Siekmann macht mit seinen gesellschaftskritischen Arbeiten stets auf vorhandene und entstehende Missverhältnisse aufmerksam und konfrontiert die Betrachterinnen und Betrachter mit aktuellen politischen Ereignissen und dringlichen Fragestellungen. Seine künstlerische Praxis besteht dabei aus oftmals langfristig angelegten Projekten, die eine intensive Auseinandersetzung und Recherche zum jeweiligen Thema mit einschließen. Je nach Arbeit können sich die Ergebnisse in Zeichnungen, Filmen oder architektonischen Modellen sowie in raumgreifenden Installationen artikulieren. Für die „Aufzeichnungen aus einem postfaktischen Zeitalter“ fertigte Siekmann auf den Seiten eines Skizzenbuchs Zeichnungen mit Bleistift und Aquarell an. Darin skizzierte er gegenständlich und detailreich verschiedene Ideen für Installationen im öffentlichen Raum, wobei es sich mehr um bildhaft formulierte Gedanken handelt als um praktische Überlegungen zu einer tatsächlichen Realisierung. Die Zeichnungen lassen sich in insgesamt 27 Gruppen gliedern, die jeweils unterschiedliche Fragestellungen zu relevanten gesellschaftspolitischen Themen zur Grundlage haben: Wie können die Folgen des industriellen Sojaanbaus für Mensch und Natur auch dort anschaulich gemacht werden, wo es keine Sojafelder gibt? Sind neoliberale Wirtschaftsfundamentalisten nicht ähnlich fanatisch und gefährlich wie religiöse Fundamentalisten? Ist es moralisch vertretbar, dass Bundestagsabgeordnete sich in ein Flüchtlingsschlauchboot in der Spree mitten in Berlin setzen, um die Gefahren der Mittelmeerüberquerung besser nachvollziehen zu können? Der zuweilen äußerst brisante Inhalt der Aquarelle steht dabei im Gegensatz zur illustrativen, beinahe lieblich erscheinenden klassischen Ausführung als farbige Handzeichnungen. Die Mischung aus der Analyse aktueller Ereignisse und einer Form von historischer Bildforschung zeichnet immer wieder Zeichnungszyklen des Künstlers aus. Ausgangspunkt ist für ihn dabei die Frage, wie ökonomische und politische Prozesse sichtbar gemacht werden können, in dem er auf zeitgenössische wie historische Bildsprachen verweist. Häufig werden von Siekmann selbst in diesem Zusammenhang die Illustrationen zu Dantes Göttlicher Komödie von Sandro Boticelli erwähnt. „Ohne didaktischen Zeigefinger und mit scharfsinnigem Humor schafft Andreas Siekmann so eine Form der Auseinandersetzung, welche auf mehreren Ebenen stattfindet“, formulierte die Jury des Konrad-von-Soest-Preises dazu in ihrer Begründung.
Marijke Lukowicz
Westfälische Provinzial Versicherung / LWL-Museum für Kunst und Kultur / Arnhold, Hermann (Hg.): Unerwartete Begegnungen. Nolde, Kippenberger, Fritsch & Co. in der Sammlung der Westfälischen Provinzial [Ausst.-Kat. LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster 2017], Bielefeld 2017.
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Leihgabe aus der Kunstsammlung der Provinzial Versicherung AG, Direktion Münster
Leihgabe aus der Kunstsammlung der Provinzial Versicherung AG, Direktion Münster
Maße
Höhe 18.9 cm Breite 12 cm
Material
Aquarell, Bleistift, Papier Inventarnummer
KdZ 9196,16 WPF Standort
Nicht ausgestellt