Johann Christoph Rincklake Clemens August von Galen mit seinen Töchtern vor der Büste der Mutter im Park, o.J. (um 1791/92)
„Die gelbe Hose“ nannte der Vorbesitzer Bernhard Graf von Galen (1907–2002) dieses Bild. Sein UrUr-Großvater, ausgerechnet von den Preußen 1803 zum Grafen erhoben, gebe hier den trauernden Gatten – er habe seine Frau aber zu Lebzeiten schlecht behandelt. 1775 hatte er die 19jährige Mechthild von Twickel geheiratet, die am 25. Oktober 1791 nach der siebten Entbindung ihren Söhnen in den Tod folgte. Schon am 16. August 1792 führte Galen Angela von Ascheberg (1773–1806) vor den Traualtar, die geistreichste der jungen adeligen Damen in Münster. Und 1811 ehelichte er gar noch eine Bürgerliche. Der münsterische Erbkämmerer, Geheimrat und Amtsdroste zu Vechta trägt hier die gelbe Hose der englischen Herrenmode, dazu aber nicht den roten Rock der münsterischen Ritterschaftsuniform, sondern einen blauen Rock mit rotem Kragen. Den Hut pietätvoll abgelegt, sitzt er auf einer Bank, auf den Stock gestützt. Wie tröstend berühren ihn seine Töchter Franziska (1789–1807) und Sophie (1784–1805), während die mittlere Clara von Galen (1786–1809) auf die Büste der Mutter zeigt, die über einer Quelle in einer Nische zwischen aufgetürmten Felsbrocken auf einem von ionischen Säulen getragenen Podest über einer Urne steht – und auf den Betrachter schaut. Der Witwer und seine Töchter aber schauen nicht auf die Büste, sondern an ihr vorbei auf verschattete Gewächse in eine ungewisse Zukunft. Die Eibe hinter ihnen und die Fichte mit ihren hängenden Zweigen betonen die düstere Stimmung, wie die Trauerweide links. Die Szene schildert genau einen empfindsamen Begräbnisort nach der „Theorie der Gartenkunst“ des Christian Cai Lorenz Hirschfeld (1779). Bildthema ist die Trauer, das Gefühl, nicht der Stand der Personen. Der Baron und seine Familie sind also ganz privat – und quasi verbürgerlicht, indem sie sich ihren Gefühlen überlassen. Baron Galen hatte schon 1791 Einzelporträts seiner Familie von dem Berufsanfänger Rincklake malen lassen – dessen erstes Familienbild lässt zehn Jahre vor den Umbrüchen der Säkularisation bereits das Ende der Ständegesellschaft ahnen.
Gerd Dethlefs
Lorenz, Angelika: Konturen eines neuen Menschenbildes. Zum Wandel des Porträts, in: Gisela Weiß / Gerd Dethlefs (Hg.): "Zerbrochen sind die Fesseln des Schlendrians". Westfalens Aufbruch in die Moderne, Bönen 2002, S. 225-239, hier S. 229-230. Westhoff-Krummacher, Hildegard: Johann Christoph Rincklake. Ein westfälischer Bildnismaler um 1800, München/Berlin 1984, S. 230-232, 307-309. Reif, Heinz: Westfälischer Adel 1770–1860. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite, Göttingen 1979, S. 107, 263-268, 521, 526, 576.
Maße
Höhe 92.6 cm Breite 77 cm
Material
Öl, Leinwand Inventarnummer
2114 LM Standort
Raum 1.26