Emil Nolde Burchards Garten, 1907
Ohne den Blick auf den Horizont freizugeben, erstreckt sich der Garten über die gesamte Bildfläche. Die dicht nebeneinandergesetzten Blumen verlaufen in fast waagerechten Schichten, und diese Begrenzungen lassen den Blick in den Bildhintergrund schweifen, wo das Grün der Büsche den Bildabschluss bildet. Die Blüten leuchten in einer Palette, in der vor allem rot, blau, violett und gelb dominieren. Inmitten dieses Blumenmeeres findet sich im Hintergrund eine weibliche Figur, die in dieser Fülle fast untergeht. Nolde selbst schrieb über seine sommerlichen Eindrücke auf der Insel Alsen: »Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlichan, und fast plötzlich war ich beim Malen. Es entstanden meine ersten kleinen Gartenbilder. Die blühenden Farben der Blumen und die Reinheit dieser Farben liebte ich.« (Emil Nolde zit. nach: Franz, 1998, S. 2) Lange Zeit, bis in die 1970er Jahre hinein, wurde angenommen, dass das Bild 1907 im westfälischen Soest gemalt worden war. Das Werk entstand jedoch auf der Ostseeinsel Alsen, wo Nolde seit 1903 regelmäßig jeden Sommer verbrachte und neben Landschaftsdarstellungen auch Blumen- und Gartenbilder schuf. Der Garten gehörte der Familie Burchard, die auf der Insel neben dem von Nolde gemieteten Fischerhaus lebte. Das Bild entstand 1907 und wurde 1908 in der Frühjahrsausstellung des Westfälischen Kunstvereins im neu eröffneten Landesmuseum zum ersten Mal ausgestellt. Es hing dort neben Werken von Lovis Corinth, Max Liebermann, Wilhelm Trübner und Otto Modersohn. Aus dieser Ausstellung wurde es erworben und blieb für lange Zeit das einzige bedeutende Werk des Expressionismus in der Sammlung des Landesmuseums Münster. Erst seit den frühen 1950er Jahren wurde hier die Galerie der Moderne aufgebaut und weitere Werke der Brücke und des Blauen Reiters für die Sammlung angekauft. Burchards Garten war zugleich auch das erste Bild Noldes, das für ein öffentliches Museum angekauft wurde. Erst vier Jahre später, 1912, erwarb die Stadt Halle eine Arbeit von Nolde. Obwohl im Zuge der Aktion »Entartete Kunst« 1937 im Landesmuseum 66 Werke beschlagnahmt wurden, blieb das Gemälde von Nolde verschont. Ein Grund hierfür mag das unverdächtige Blumen- beziehungsweise Gartenmotiv gewesen sein. Aufgrund seiner leuchtenden Farben war Burchards Garten im 1913 publizierten Führer des Landesmuseums dem Impressionismus zugeordnet worden. Dies mag ebenfalls das Gemälde vor den Nazi-Zensoren gerettet haben.
Tanja Pirsig-Marshall
Franz, Erich: Emil Nolde, Burchards Garten, 1907. In: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster (Hg.): Das Kunstwerk des Monats. Oktober 1998. Münster 1998. Urban, Martin: Emil Nolde. Werkverzeichnis der Gemälde, Bd. 1, 1895–1914. München 1987. Reuther, Manfred: Das Frühwerk Emil Noldes. Vom Kunstgewerbler zum Künstler. Köln 1985. Nolde, Emil: Jahre der Kämpfe 1902–1914. Flensburg 1958. Zweite erweiterte Auflage der Erstveröffentlichung von 1934.
© Nolde Stiftung Seebüll
- 1908 erworben vom Künstler über den Kunstsalon Otto Fischer, Bielefeld