Meister der Barbara-Legende "Heinrichstafel": Krönung, Schwertübergabe, Kreuzvision, Beichte, Polenschlacht, um 1494
Erst 1977 konnte das im 19. Jahrhundert in drei Teile zersägte Tafelbild mit Szenen aus dem Leben Kaiser Heinrichs II. (973/78–1024) in Münster wieder zusammengeführt und entschlüsselt werden. Die in kräftigen Farben und mit großer Detailfreude ausgeführten Malereien– wahrscheinlich von einem Brüsseler Maler mit dem Notnamen »Meister der Barbara-Legende« stammend – zeigen von links nach rechts: die Kaiserkrönung, die Übergabe eines heiligen Schwertes, die Kreuzvision, die Beichte und die siegreiche Schlacht des kaiserlichen Heeres gegen den Polenherzog Bolesław I Chroby mit Hilfe einer vom Drachentöter Georg angeführten Heiligenschar. Die Umkehrung der zeitlichen Abfolge der Ereignisse (die Krönung Heinrichs durch Papst Benedikt VIII. in Rom fand 1014, der Kampf gegen Polen bereits 1004 statt) zielt auf die zentrale Aussage des Gemäldes: Der Kreuzzug gegen die Feinde der Christenheit wird als Erfüllung des durch Gott verliehenen Kaisertums gedeutet. Für die Zeitgenossen enthüllte sich damit die eigentliche Botschaft der Altartafel: Sie sollte den Kampf des 1493 zum Kaiser erhobenen Habsburgers Maximilian (1459–1519) gegen die Türken begründen und rechtfertigen. Maximilian wählte den letzten Ottonenkaiser Heinrich II. als Vorbild und Stellvertreter für sein eigenes politisches Handeln. In diesem Zusammenhang lässt sich die Heinrichstafel auch zeitlich recht genau verorten. Es ist anzunehmen, dass sie nach seiner Kaiserkrönung beziehungsweise nach seinem Eintritt in die Georgsbruderschaft und der Verleihung eines päpstlichen Schwertes als Unterpfand des Sieges im Jahr 1494 oder kurz darauf entstand. Besonders bemerkenswert ist die Darstellung der Kaiserkrönung (links), die allerdings weniger dokumentarischen als symbolischen Charakter hat: Demütig vor dem päpstlichen Thron kniend, empfängt der zum Gotteskrieger gerüstete Herrscher mit einem Segensgruß die Krone, die er sinnfälligerweise auch in der Schlacht trägt (rechts). Der ehemalige Aufstellungsort der in Brüssel entstandenen Tafel ist unbekannt.
Petra Marx
Petra Marx: Die Krönung Heinrichs II. In: Stollberg-Rilinger [u. a.] (Hg.): Spektakel der Macht. Rituale im alten Europa 800–1800 [Ausst. Kat.]. Magdeburg 2008. Kat. Nr. I. 59. Klaus Schreiner: »Sakrale Herrschaft« und »Heiliger Krieg«. Kaisertum, Kirche und Kreuzzug im Spiegel der spätmittelalterlichen Heinrichstafel. In: Linke, Wolfgang (Hg.): Unterricht in westfälischen Museen 18. Münster 1985. Petra Marx: "Heinrichstafel", um 1494, in: Einblicke – Ausblicke. Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, hrsg. v. Hermann Arnold, im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wienand Verlag, Köln 2014, S. 88f.
Leihgaben des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg (1573 LG) und des Westfälischen Kunstvereins (239 WKV) Erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen (1529 LM)
Maße
Höhe 73.2 cm Breite 184 cm
Material
Tempera, Eichenholz Inventarnummer
1573 LG, 1529 LM, 239 WKV Standort
Raum 1.10 Kunstwerk des Monats
KdM_12_1978.pdf