Korbacher Franziskaner Christus in der Vorhölle, um 1525
Die beiden Tafeln mit der Auferstehung und der Höllenfahrt Christi waren ursprünglich Teil eines Altarretabels, von dem sich heute noch der Mittelteil mit einem "Volkreichen Kalvarienberg" in Köln (St. Pantaleon) erhalten hat. Zwei weitere zugehörige Tafeln, eine Himmelfahrt Christi und das Pfingstwunder, sind verschollen. Der Verbleib der Tafel mit der Auferstehung Christi war ebenfalls unbekannt, bis sie durch glückliche Umstände im Aachener Kunsthandel entdeckt und 2012 für das Landesmuseum erworben werden konnte. Die Rekonstruktion des Passionsretabels mit dem zentralen Kalvarienberg ist Esther Meier (2007/2008) zu verdanken: Die Gemälde in Münster bzw. die Himmelfahrt und die Pfingstwunder bildeten, paarweise übereinander gesetzt, die Seitenflügel des Klappretabels. Auf den Flügelaußenseiten waren ehemals die Heiligen Petrus und Michael in gemalten Nischen zu sehen. Das theologische Gesamtprogramm ist auf den heilsbringenden Tod Christi ausgerichtet. Der ursprünglich Standort des Bildwerks ist unbekannt. Das Retabel wird dem "Korbacher Franziskaner" zugeschrieben, einem malenden Franziskanermönch, der in der Gegend um das nordhessische Korbach ansässig gewesen sein dürfte. Dort bzw. im benachbarten Nieder-Waroldern haben sich weitere Altarbilder bzw. Retabel von seiner Hand aus der Zeit zwischen 1518 und 1527 erhalten. Der anonyme Meister dürfte um 1456 geboren und nach 1571 gestorben sein. Sein Stil ist ungewöhnlich retardierend, d.h. er orientiert sich u.a. an Kupferstichen Martin Schongauers aus dem späten 15. Jahrhundert. Diese altertümliche Formensprache verbindet er mit einer hellen, fast manieristischen Farbpalette, die dem Zeitgeschmack des 16. Jahrhunderts entsprach. Der auferstandene Christus hat das Tor zur Hölle eingerissen und tritt, die Kreuzfahne wie eine Lanze führend, eine teuflische Gestalt zu Boden. Ein zweiter furchterregender Dämon umklammert Reste des Höllentores und schwingt vergeblich seine Rute. Während im Hintergrund die Seelen der Verdammten im Feuer schmoren, reicht der Gottessohn denjenigen, die ihre Sünden gebüßt haben, die Hand. Adam greift dabei mit seinem Daumen in die Wunde der linken Hand Christi, womit die erlösende Wirkung des Kreuzesopfers betont wird. Ungewöhnlich ist, dass die bei Adam kniende Eva den Paradiesapfel vorweist, wie auch die Erscheinung Johannes des Täufers neben dem Urelternpaar. Dem "Korbacher Franziskaner" diente ein Kupferstich Martin Schongauers von 1470/80 als Vorlage für sein Gemälde.
Petra Marx
Esther Meier: Das Kalvarienbergretabel des Korbacher Franziskaners: Rekonstruktion eines stilgeschichtlichen Problemfalls, in: Westfalen 85/86, 2007/2008 (Neue Forschungen zur Alten Kunst. Zum hundertjährigen Bestehen des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte in Münster (...), hrsg. v. Petra Marx), Münster 2010, S. 345-365.
- o.J. (vor 1982) erworben, Erwerbungsumstände unklar
Maße
Höhe 102 cm Breite 64 cm
Material
Tempera, Eichenholz Inventarnummer
1648 LM Standort
Raum 1.10