Franz Marc Paradies, 1912
Das gemeinsam von Franz Marc und August Macke gemalte Wandbild ist eines der wenigen erhaltenen Wandbilder des Expressionismus und das einzige noch existierende Atelierbild. Das Werk entstand im Oktober 1912 im Atelier von August Macke in Bonn und wurde 1980 von der Wand abgelöst und nach Münster gebracht. Anders als bei einem klassischen Fresko haben die beiden Künstler mit Tempera und Ölfarbe, ohne Vorbereitungen oder Grundierungen direkt auf die Wand gemalt. In nur wenigen Tagen entstand das Werk, das Klaus Lankheit in die Zeit nach Marcs und Mackes gemeinsamer Parisreise datierte. Neben seiner Bedeutung als Zeitdokument ist das Bild ein Zeugnis der engen Zusammenarbeit beider Künstler. Es gibt unterschiedliche Deutungen hinsichtlich der Autorenschaft der Motive, doch ist davon auszugehen, dass die meisten Motive von Franz Marc stammen. Das Thema Adam und Eva im Paradies hingegen weist auf August Macke. Es ist ein Motiv, das sich wie ein roter Faden durch sein Werk zieht. Ursprünglich für die Wand geplant waren eine Reiterschlacht oder der biblische Durchzug durchs Rote Meer, ausgeführt wurde jedoch schließlich eine Paradiesszene, die die Harmonie zwischen Tier und Mensch widerspiegelt. Das extreme Hochformat – den Gegebenheiten der Wand entsprechend – legt eine Staffelung der Darstellung in die Höhe nahe. Adam, am linken Rand der Darstellung, kehrt dem Betrachter den Rücken zu und streckt beide Arme nach einem Äffchen aus. Zu Adams Füßen sitzt Eva. Die Frage nach dem jeweiligen Anteil der Künstler an Komposition und Ausführung wurde in der Literatur nur für Marc detailliert beantwortet. Klaus Lankheit schrieb ihm Adam, den Baum mit Affen, die Tiere und einen Großteil der Landschaft zu. Tatsächlich zeigt auch Marcs Landschaft mit Tieren und Regenbogen, eine Glasmalerei von 1911, einen vergleichbaren Aufbau. Gustav Vriesen sah den Anteil Mackes am Wandbild als untergeordnet an und unterließ einen Eintrag in den Werkkatalog. In einem Briefwechsel der Familie Macke ist überliefert, dass August Macke die orientalische Szene auf der rechten Seite sowie den Adam gemalt habe. Dieser Quelle zufolge wurde die Wespe am unteren Bildrand von Maria Marc gemalt. Ernst-Gerhard Güse hat sich 1980 dieser Sicht angeschlossen. Er führt allerdings die Gesamtkonzeption und den Landschaftshintergrund auf Marc zurück. Aller Wahrscheinlichkeit nach geht aber die Komposition des Adam auf Macke zurück, während Marc diesen Teil des Gemäldes ausführte.
Tanja Pirsig-Marshall
Güse, Ernst-Gerhard: Franz Marc – August Macke: Das »Paradies«-Wandbild im Atelier Mackes in Bonn. In: August Macke: Blickfänge in und um sein Bonner Haus. Ed. Verein August Macke Haus (Bonn: Verein August Macke Haus, 2001). S. 91–100. Güse, Ernst-Gerhard (Hg.) August Macke: Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen [Ausst. Kat.]. München 1987. Heiderich, Ursula: August Macke. Zeichnungen aus den Skizzenbüchern. Stuttgart 1986. Jaffee McCabe, Cynthia: Artistic Collaboration in the Twentieth Century. The Period between Two Wars. In: Artistic Collaboration in the Twentieth Century. Washington, DC 1984. S. 15/16.
Erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen, Konservierung mit Unterstützung der Freunde des Museums für Kunst und Kultur Münster e. V., 2006
Maße
Höhe 400 cm Breite 200 cm Tiefe 20 cm
Material
Tempera, Öl, Putz Inventarnummer
1608 LM Standort
Raum 1.31 Kunstwerk des Monats
KdM_02_1981.pdf