Franz Marc Abstrakte Formen II, 1914
Das Bild wurde von Franz Marc bei seiner Einberufung zum Kriegsdienst Anfang August 1914 unvollendet im Atelier zurückgelassen. Deutlich unterscheiden die Farb- und Formbewegungen zwei Bereiche: Die Töne links sind dunkler, in sich geschlossener, rechts dagegen herrscht mehr Bewegung, die Formen lösen sich nach oben hin auf, gleichen aufsteigenden Flammen. Inmitten dieser Flächen verbildlichen Wand und Fenster ein Haus, auch ein Elefant ist ansatzweise zu erkennen. Alle Formgrenzen scheinen in Bewegung und doch aufeinander bezogen zu sein. Kräfte und Gegenkräfte fügen sich zu einer bildhaften Einheit zusammen und erzeugen Spannung. Damit stehen die abstrakten Formen in engem Zusammenhang mit dem aus dem gleichen Jahr stammenden Gemälde Kämpfende Formen. Unter dem Eindruck Kandinskys und Mackes sowie Delaunays und der Futuristen entwickelte Marc seit 1910 zuerst eine monumentalisierende, später abstrahierende Bildsprache, deren Gegenstand fast ausschließlich das Tier war. Mehr und mehr verschwand der Mensch aus seinem Schaffen, oft wies der Künstler nur noch indirekt auf seine Anwesenheit hin, wie auch hier durch die Darstellung des Hauses. Eine größere Affinität hatte Marc dagegen zu Tieren: »Ich empfand schon sehr früh den Menschen als häßlich, das Tier schien mir schöner, reiner.« (Franz Marc zit. nach: Güse, 1982, S. 44). Der fortschreitende Abstraktionsprozess, der sich bei Marc seit 1911 abzeichnete, ging mit seinem Interesse an der Musik einher. Die Wahl der Palette ist stark von seinen Farbtheorien beeinflusst: Das brutale Rot, das männliche Prinzip Blau, das dem Weiblichen in der Farbe Gelb gegenübersteht. Daneben beschäftigte ihn vor allem die spannungsreiche Entzerrung der Komplementärkontraste (gelb/violett, blau/orange, grün/rot), »man kann sie soweit man will auseinanderlegen«. Das materielle Rot kommt mit Grün nie ganz zur Ruhe. Für Marc waren »die innere Wahrheit der Dinge« und »die mystisch-innere« Komposition des Bildes entscheidend. Um diese zu finden, verband er die kristalline Formstruktur, welche dem reinen Wesen der Tiere, Pflanzen und Landschaften entsprach, mit von der Wirklichkeit unabhängigen Farben.
Tanja Pirsig-Marshall
Hoberg, Annegret / Friedel, Helmut (Hg.): Franz Marc. Die Retrospektive [Ausst.-Kat. Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 2005], München 2005.
Hoberg, Annegret: Franz Marc. Werkverzeichnis, München 2004.
von Holst, Christian u. a. (Hg.): Franz Marc. Pferde. [Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart 2000], Ostfildern-Ruit 2000.
Franz, Erich (Hg.): Franz Marc. Kräfte der Natur, Ostfildern 1993.
Güse, Ernst-Gerhard: Die Gemälde von Franz Marc und August Macke im Westfälischen Landesmuseum, Münster 1982.
Erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen
- - 1916 – o.J. Nachlass des Künstlers/ Maria Marc, Ried - […] - o.J.–1961 Dr. Josef Steegmann, Köln - 03. – 04.05.1961 Auktion Kunstkabinett R. N. Ketterer, Stuttgart, Los unverkauft - o.J.–1961 Dr. Josef Steegmann, Köln - Mai 1961 Galerie Beyeler, Basel, in Kommission von Dr. Josef Steegmann, Köln, erhalten - Nov. 1961 – März 1963 Galerie Beyeler, Basel und Kunsthandlung Albert Daberkow, Bad Homburg, zu gleichen Teilen von Dr. Josef Steegmann, Köln, erworben (November 1961) - Januar 1963 Kunsthandlung Albert Daberkow, Bad Homburg, Anteil der Galerie Beyeler gekauft - seit Januar 1963 LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster, erworben von Albert F. Daberkow, Bad Homburg
Maße
Höhe 81 cm Breite 112.5 cm
Material
Öl, Leinwand Inventarnummer
1098 LM Standort
Raum 2.07 Kunstwerk des Monats
KdM_09_1990.pdf