
Ida Gerhardi Chanteuse (Madame de Riau), 1903
Eines Abends in Paris setzte sich Ida Gerhardi im Cabaret de Quat’z’art neben eine alte Dame, die sich ihr als Madame de Riau vorstellte. Es entwickelte sich zwischen den beiden Frauen ein anregendes Gespräch, an das die Künstlerin noch lange zurückdenken sollte: „Diese alte Baronin ist eine interessante Person mit einer merkwürdigen Vergangenheit, aus reicher Familie, hochbegabt, sang und spielte für die Armen in Wohltätigkeitsveranstaltungen und schriftstellerte und spielt jetzt für Geld, Maitresse vom König der Belgier, vielleicht auch anderer Häupter usw. – sie hat einen großen Zug und ist gutherzig.“ (Gerhardi 2012, S. 214)
Spontan fasste Gerhardi den Entschluss, ihre Zufallsbekanntschaft am gleichen Ort bei Musik und lautem Stimmengewirr zu malen. In ihrem Porträt, das sie an nur zwei Abenden fertigstellte, hielt sie den ausladenden Hut, den mächtigen dunklen Mantel wie auch das violette Kleid der Baronin mit einem groben Pinselstrich fest. Ihre größte Aufmerksamkeit galt jedoch dem Gesicht. Zügig brachte sie die markante Nase, die verlebten Züge sowie die dunkel geschminkten Augen und Brauen auf die Leinwand. Und obwohl der fahle Schein des Barlichts gelblich-grüne Flecken auf die Hautpartien ihres Modells wirft, strahlt die Baronin mit ihrem selbstbewussten Lächeln eine ganz eigene, innere Wärme aus.
Ida Gerhardi versuchte vergeblich, das Gemälde zu ihren Lebzeiten an ein Museum zu verkaufen. Das Münsteraner Museum lehnte es zu dieser Zeit ebenfalls ab, das Gemälde der Künstlerin zu erwerben und kaufte es erst 1969 aus dem Nachlass an.
LWL-Museum für Kunst und Kultur (Hg.): Die Gemälde der Moderne 1900 bis 1960. Die Sammlungen des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster [Best.-Kat. LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster 2023], Petersberg 2023, S. 155-157.
Gerhardi, Ida an Karl-August Gerhardi, 2. Januar 1904, in: LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster (Hg.): „Wozu die ganze Welt wenn ich nicht malte“. Ida Gerhardi (1862–1927). Briefe einer Malerin zwischen Paris und Berlin, Essen 2012, S. 214.
- bis 1927 Ida Gerhardi
- 1927–1969 Nachlass der Künstlerin/Malve Steinweg, Lüdenscheid, erworben durch Erbgang
- seit 1969 LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster, erworben von Malve Steinweg, Lüdenscheid