Frans Snyders Knabe in der Vorratskammer, um 1640
Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Stilllebenmalerei in den Niederlanden zu einer facettenreichen Bildgattung. Die flämische Tradition der frühen Markt- und Küchenbilder mit der Einbindung biblischer Szenen und vielschichtiger, versteckter Symbolik wird zum überquellenden Darbietungs- oder Zubereitungstisch transformiert. In den südlichen, katholisch gebliebenen Landesteilen entstehen große, farbintensive Prunkstillleben, in denen die Fülle der göttlichen Schöpfung vor dem Auge ausgebreitet ist. In Antwerpen, der mächtigen Kunst- und Handelsstadt, spezialisierte sich Frans Snyders sehr erfolgreich als Tier- und Stilllebenmaler und bediente vor allem höfisch-aristokratisch geprägte Auftraggeberkreise mit prächtigen Stillleben, in denen die Objekte in farbglühender Sinnlichkeit dekorativ und effektvoll von der »Lichtregie« des Malers inszeniert sind. Sein Stillleben mit Fleischkorb wirkt wie der Blick in die Vorratskammer einer üppigen Haushaltung – Obst und Gemüse in bester Qualität, exotische Gaumenkitzel wie Hummer und Pfau, ein mit Fleischstücken gefüllter Korb und die Jagdbeute scheinen hier auf ihre Zubereitung zu warten. Mit der Einfügung einer »lebendigen« Bildkomponente in Gestalt eines Knaben mit Hund als Kontrapunkt verstärkt Snyders noch die Wirkung der aufgehäuften toten Materie. In ihr spiegelt sich auch die privilegierte und mächtige Auftraggeberschaft des Malers, der unter anderem das Jagdrecht vorbehalten war und deren Landgüter mit großen Obst- und Gemüsegärten dem Ideal von Repräsentation, Lebensautonomie und Naturbeherrschung entsprachen. Hinter all der sinnlich und farblich aufgeladenen Pracht lässt sich aber immer noch die lebensausrichtende Mahnung und Symbolik der Markt- und Küchenbilder alter Prägung lesen. Der Pfau erinnert an die Eitelkeit, der Hummer an devotes Kriechertum und ein unausgerichtetes Leben, die voluptas carnis – die Fleischeslust – bedarf der Mäßigung im Hinweis durch die Säure der Zitrone. Der Betrachter beziehungsweise Auftraggeber kann diese moralischen Verweise in Snyders Bild sehen, er muss es aber nicht, sondern kann allein dem Augenschmaus frönen, den ein mit Licht und Farbe virtuos umgehender Maler für ihn angerichtet hat.
Angelika Lorenz
Fritzsche, Claudia: Der Betrachter im Stillleben. Raumerfahrung und Erzählstrukturen in der niederländischen Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts. Weimar 2010. Das Flämische Stillleben [Ausst.-Kat.]. Wien/Essen 2002, Lingen 2002. Ebert-Schifferer, Sybille: Die Geschichte des Stillebens. München 1998. Koslow, Susan, u. Walter A. Liedtke: Frans Snyders. The Noble Estate. Seventeenth-century Still-life and Animal Painting in the Southern Netherlands. Antwerp 1995. S. 168/169, S. 369.
Leihgabe aus Privatbesitz
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- wohl 1909 Galerie Dowdeswell & Dowdeswell, London
- wohl 1909–1935 Wilhelm von Stumm, Berlin
- 1936 Hans Carl Krüger/Rudolph Lepke Kunst- und Auktionshaus, Berlin
- (1936 Gustav Heess, Stuttgart?)
- 1936–o. J. Kurt Rohde, Berlin
- o. J. (mind. 1954)–1991 Frieda Hinze, Berlin
- 1991–2013 Dr. Elisabeth Rohde, Berlin
- 2013 Helmut Rhode, Berlin
- seit 2014 Privatbesitz
- seit 1959 Dauerleihgabe aus Privatbesitz
Maße
Höhe 99 cm Breite 201 cm
Material
Öl, Eichenholz Inventarnummer
1541 LG Standort
Raum 1.16 Kunstwerk des Monats
KdM_03_2010.pdf