Nicole Schuck Porcupine il (Stachelschwein das), 2010
Das Werk von Nicole Schuck besteht vor allem aus Bleistiftzeichnungen. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen Wildtiere. Sie bildet die Tiere nicht ab, sondern spürt ihnen mit zeichnerischen Mitteln nach, ihren Federn oder ihrem Fell, aber auch ihren natürlichen und künstlichen Lebensräumen. Ein ähnlich intensives Nachforschen ist auch bei Schucks Erzählperformances, Installationen und ihrer Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Institutionen zu spüren. Mit differenzierten linearen Prozessen stellt sie vielfältige Bewegungen und Gradationen her: Büschelungen und Parallelen, sich verdichtende und öffnende Verläufe, kurze und längere Rhythmen, die auch die weißen Räume im Umfeld der Linien beeinflussen. Die zeichnerischen Prozesse präsentieren jedoch nicht nur eine Bewegungsvielfalt, sondern nähern sich beispielsweise der weichen Federoberfläche eines Tölpels an, bei dem man keine einzelnen Federn unterscheiden kann, oder eines Alkvogels, dessen Federn wie kleine Schuppen aussehen. Immer bleiben die zeichnerischen Strukturen präsent. Nie stellen sie einen Tierkörper insgesamt dar. Die Spuren des Grafits übertragen die „Landschaft“ des Federkleides in zeichnerische Rhythmen und Differenzierungen auf dem Weiß des Papiers. In den Bewegungen der Federn zeigt sich wiederum eine enge Beziehung zum Lebensraum. Mit sensibler Nachdrücklichkeit geht also Nicole Schuck auf die individuelle Lebensform des Tieres ein. Sie kommt ihm sehr nahe und führt auch den Betrachter nahe an das Tier heran. Die Zeichnungen der Serie „Pelzländer“ entstanden ein Jahr nach einer Islandreise, bei der Nicole Schuck die gesamte Insel umwanderte. Zu diesen Zeichnungen schreibt sie: „Für die Tiere bedeutet der äußere Körper Schutz. Ohne seine Tarnmusterung ist ein Überleben in der Wildnis geradezu undenkbar. Das führt mich im Hinblick auf den Klimawandel zu der Fragestellung, was passiert, wenn ein Körper nicht mehr zu der Landschaft passt, für die er gemacht ist? Und inwiefern lässt sich Landschaft durch die dort lebenden Tiere darstellen?“
Erich Franz
Nicole Schuck, 2381 km and a Long Walk. Works on Iceland [Ausst. Kat.], Kunsthalle Bielefeld, Kunstverein Lippstadt, Bielefeld 2008.
© Nicole Schuck
Stiftung "Sammlung 'Die Linie'"
Stiftung "Sammlung 'Die Linie'"