Georg Scholz (Maler, 1890-1945) Kakteen und Semaphore, 1923
Tiefe Risse gehen durch die Zeit – und spiegeln sich in Kunst, Politik und Gesellschaft. Von Krieg und Niederlage, Arbeitslosigkeit und Industrialisierung, Zerstörung und Erneuerung geprägte Künstler skizzieren ein scharfes Bild der Wirklichkeit in kühlem, präzisem Stil. Georg Scholz entdeckt in dieser Zeit für sich hingegen die Gegenstandswelt in kühlen und nüchternen Raumdarstellungen. Als Maler der neuen Sachlichkeit grenzt er sich unbedingt gegen das subjektive Pathos des Expressionismus ab. Stark künstlich arrangiert Scholz die naturgewachsenen Kakteen neben zwei menschengemachten Glühbirnen in höchster malerischer Präzision. Dabei kontrastieren die äußerst realistisch wirkenden Kakteenkörpern und Spiegelreflexe auf den Birnengläsern mit vereinfacht flächiger Andeutung von Pflanzenerde und Fensterinnenrahmung. Das glaslose Fenster führt den Blick des Betrachters aus dem Innenraum des Vordergrundes auf eine grüne Landschaft vor abendlicher Himmelsfärbung in den Hintergrund. Die gestalterischen Kontraste und die immer mehr rätselhaft wirkende Ruhe stören leise den anfänglichen Eindruck von Harmonie Klarheit. So weisen die drei Singalmaste hinter den Bäumen auf die Eroberung der Natur in einer zunehmend verkehrstechnisch erschlossenen Welt. Der Blick aus dem dunklen kargen Zimmer heraus wird immer wehmütiger. In seiner überscharfen Zeichnung der Bildgegenstände fängt Scholz in Zeiten politischer Unruhen und gesellschaftlicher Umbrüche eine Art gefrorene Wirklichkeit ein.
Eline van Dijk
Graham Bader u.a.: New Objectivity. Modern German Art in the Weimar Republic 1919-1933 [Ausst. Kat. Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles 2015], München, London, New York 2015. Rita Burrichter: Die Wirkung des Bildes beruht auf Gegensätzen. Zu Georg Scholz, Kakteen und Semaphore, 1923, in: Katechetische Blätter. Stimmen der Sehnsucht, Heft 3, München 1997.
- - um 1924–o.J. Herbert Tannenbaum, Mannheim, erworben vom Künstler - [...] - spät. 1962 Albert F. Daberkow, Bad Homburg - seit 1962 LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster, erworben von Albert F. Daberkow, Bad Homburg
Maße
Höhe 69 cm Breite 52.3 cm
Material
Öl, Hartfaserplatte Inventarnummer
1075 LM Standort
Nicht ausgestellt Kunstwerk des Monats
KdM_05_1990.pdf