Dirk de Quade van Ravesteyn Die drei Grazien als Verkörperung der Jahreszeiten, um 1600
Als Naturgöttinnen verkörpern die drei Grazien die »heitere Anmut« – in der Antike ein wesentlicher Bestandteil des Schönen, der Kunst und des Wissens. Die Kunst des Barock liebte die antike Welt mit ihren Mythen, ihren Göttern und Helden – sie waren ein Kosmos neuer Leitfiguren, deren Körperlichkeit zum künstlerischen Ideal wurde. Sie avancierten zum unverzichtbaren Personal in einer Bildersprache, zu deren wichtigsten Vokabeln die Allegorie und die Personifikation gehörten. In der Allegorie wird das Unsichtbare sichtbar gemacht, werden komplexe abstrakte Begriffe durch Symbol und Personifikation zum Ausdruck gebracht. Hier treten die heiteren Damen als Verkörperungen der Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst mit Blüten, Ähren und Beeren im Haar auf. Mit Blumen, Kirschen und Trauben unterstreichen die über ihnen schwebenden Putten die Jahreszeitenthematik. Aber den gebildeten Zeitgenossen öffneten sich im Blick auf die verführerisch schönen Damen noch weitere Assoziationen: Der Wechsel der Natur in den drei »freundlichen« Jahreszeiten versinnbildlicht auch Blüte, Wohlstand, reiche Ernte und im übertragenen Sinn auch Frieden. Der Niederländer Dirk de Quade van Ravesteyn war Maler am Hof Rudolfs II. in Prag. Dorthin hatte der an Kunst und Wissenschaft interessierte Kaiser die besten und vielversprechendsten Künstler und Gelehrten aus ganz Europa berufen. Zahlreiche Kunstwerke feierten in allegorischen Umschreibungen diesen Musenhof und seinen mächtigen Protektor. In diesen Reigen fügen sich auch die drei Grazien Ravesteyns ein, der das Bildthema im Übrigen in mehreren Versionen malte. Sie sind eine Huldigung an die Regentschaft des habsburgischen Kaisers, in der Wohlstand, die Blüte von Handel, Kunst und Wissenschaft befriedete Verhältnisse begründeten – Ideal und Sehnsucht aller Staaten und Gesellschaften. 1603 malte Ravesteyn ein ausdrückliches Herrscherlob mit der Allegorie auf die Regentschaft Rudolfs II., in deren Komposition findet sich auch das Grazienmotiv wieder eingesetzt.
Angelika Lorenz
Eliška Fučíková (Hg.): Rudolf II. and Prague. The Court and the City [Ausst.-Kat. Prager Burg, Prag 1997], London 1997.
Mertens, Veronika: Die drei Grazien. Studien zu einem Bildmotiv in der Kunst der Neuzeit (Gratia. Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung, Nr. 24), Wiesbaden 1994.
Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II. [Ausst. Kat.]. Essen 1988, Kat. Nr. 139.
Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland
- seit 1968 Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland
Maße
Höhe 198 cm Breite 125.5 cm
Material
Öl, Leinwand Inventarnummer
1234 BRD Standort
Raum 1.20