Max Pechstein Bildnis Frau Dr. Plietzsch, 1921
Die hier porträtierte Mica Plietzsch war die Ehefrau von Eduard Plietzsch, einem mit Pechstein befreundeten Kunsthistoriker und Sammler der Moderne. Kennengelernt hatten sich die beiden 1908 bei einer Ausstellung der Künstlergruppe Die Brücke. Plietzsch, dessen Hauptinteresse der niederländischen Malerei des 16. Jahrhunderts galt, setzte sich für die Werke der jungen Expressionisten ein. Unverkennbar kommt Pechsteins Faszination für die Südsee durch die an prominenter Stelle im Bild platzierte Holzmaske zum Ausdruck. Sein Interesse an dem einfachen, ursprünglichen Leben und der außereuropäischen Kunst führte ihn 1914 nach Palau. »Seine Wünsche«, so Eduard Plietzsch 1915, »nahmen bestimmte Formen an, als er Photographien der Palau-Inseln zu Gesicht bekam.« (Zit. nach: Moeller (Hg.): 1991, S. 89). Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bedeutete nicht nur das abrupte Ende seines Aufenthalts, sondern auch den endgültigen Abschied von einer im Untergang begriffenen Kultur. Die Reise war für Pechstein ein Schlüsselerlebnis, welches er in den darauffolgenden Jahren immer wieder in Bildern, Grafiken und umfassenden Raumgestaltungen thematisierte. Seine Südseebilder waren für ihn mehr als nur exotische Kulisse, sondern der Inbegriff eines alternativen Lebensgefühls. Pechstein nutzte seine Atelierdekorationen häufig als Bildhintergrund für Porträts und Stillleben. Auch das Bildnis von Mica Plietzsch lässt dies vermuten. Sie ist dem Betrachter in Dreiviertelansicht frontal gegenübergestellt, links und rechts von ihrem Kopf befinden sich eine Südseemaske und das Porträt einer Frau mit Hut und Schleife an der Wand. Ihr Blick in Richtung des ovalen Porträts sowie ihre modisch gekleidete Gestalt weisen auf das tägliche Leben in der Großstadt, ihr zur Maske hingewendeter Körper dagegen verrät ihr Interesse an der »primitiven« Kultur. Im Kontrast zum Zickzack-Muster des linken Bildhintergrundes steht das facettenartige Muster der rechten Seite, welches an eine Hüttenstruktur erinnert, wie sie auch auf Südseefotos aus jener Zeit zu finden ist. »Letztendlich ist es aber belanglos«, so der Kunstkritiker Paul Fechter, »ob einer sich über die Südsee oder über den Kurfürstendamm mit der Welt herumschlägt, solange er – wie Pechstein – das Gefühl für die Dinge der Welt besitze.« (Zit. nach: Melcher (Hg.), 2005, S. 81).
Tanja Pirsig-Marshall
Soika, Aya: Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde. 2 Bde. München 2011. Thurmann, Peter (Hg.): Max Pechstein. In: Expressionist aus Leidenschaft [Ausst. Kat]. München 2010. Melcher, Ralph (Hg.): Die Brücke in der Südsee – Exotik der Farbe. Köln 2005. Künstlerpost von Max Pechstein an Eduard Plietzsch [Ausst. Kat.]. Hamburg 1996. Moeller, Magdalena M. (Hg.): Max Pechstein. Sein malerisches Werk. München 1991.
© Pechstein Hamburg/Tökendorf / VG Bild-Kunst, Bonn 2024
- - [...] - o. J.–1958 Pierre Alexandre Regnault, Laren, Niederlande - 22.–23.10.1958 Auktion Kunsthandlung Paul Brandt, Amsterdam, eingeliefert aus dem Nachlass - seit 1958 LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster, erworben auf der Auktion der Kunsthandlung Paul Brandt, Amsterdam
Maße
Höhe 100.5 cm Breite 81 cm
Material
Öl, Leinwand Inventarnummer
1024 LM Standort
Raum 2.07