Meister mit der Hausmarke von 1566 Kabinettschrank, sogenannter "Wrangelschrank", 1566
Dieses Möbel gehört zu den herausragenden Objekten der Sammlung und entstand in Augsburg, einem Zentrum der Tischlerkunst, wo man sich auf die Herstellung von Kabinetten spezialisiert hatte, die der Aufbewahrung kleiner Objekte und Dokumente dienten. Unter diesen ist der Wrangelschrank einer der prachtvollsten und ungewöhnlichsten Kabinettschränke des 16. Jahrhunderts. Seinen Namen erhielt er laut einer ungesicherten Überlieferung nach dem schwedischen Feldmarschall von Wrangel, der das kostbare Ausstattungsstück seiner Tochter zur Hochzeit geschenkt haben soll. Geschlossen präsentiert sich das Möbel als ein schlichter Kasten, dessen Außenwände vollständig mit Intarsien überzogen sind. Kriegsgerät, Ruinen und stereometrische Körper, Tiere und Pflanzen in bizarrer Landschaft sind zu fantastisch anmutenden Bildtafeln zusammengesetzt. Ihre Farbigkeit und Räumlichkeit beziehen die Intarsienbilder aus der Vielzahl der verwendeten unterschiedlichen Hölzer, die zum Teil grün eingefärbt oder durch Anbrennen getönt wurden. Im Versuch, die Überfülle der Darstellungen und Symbole zu ordnen, erkennt man als Leitthema der Bilderwelt das Verhältnis von Mensch – symbolisiert in Putten und einem später eingefügten Krieger auf der Rückseite – und Natur. In diesen beiden Polen sind auf der Vorderseite die Grundlagen menschlichen Tuns verkörpert: Der an einer Statue meißelnde Putto steht für das künstlerische, auch wissenschaftliche Schaffen des Menschen; der Brustpanzer für den Krieg, dessen Führung in vergangenen Zeiten auch als Kunst angesehen wurde. Die Objekte und Hervorbringungen dieser beiden zentralen schöpferischen Impulse des Menschen werden in den Intarsienbildern von der Natur bedroht. Schleichend zersetzend oder mit Gewalt macht auf den Intarsienbildern die Natur das Werk des Menschen zunichte. Aufgehoben ist hierin der Gedanke der Vergänglichkeit, der Vanitas allen Tuns und Ruhms auf Erden; ein Motiv, das sich auf allen Außenwänden des Kabinetts fortsetzt. Im geöffneten Zustand enthüllt der Wrangelschrank eine zweigeschossige, durch Alabastersäulen, Gesimse und Arkaden gegliederte »Fassadenfront«, hinter der sich Schubladen und Fächer verbergen. Geschmückt mit Cäsarenporträts und Reliefs mit Darstellungen berühmter Schlachten der Antike, steht sie im Zeichen militärischen Triumphes, der durch das Thema der Vanitas in den Intarsien gespiegelt und infrage gestellt wird. Als meisterhaft gestaltetes Objekt ist das Kabinett selbst ein Sammlerstück, prädestiniert für eine der Kunst- und Wunderkammern der Zeit, mit denen die Anfänge der Museen begründet wurden.
Angelika Lorenz
Lorenz, Angelika, u. Volker Jutzi: Der Wrangelschrank – Neu gesehen. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster (Hg.): Bönen 2011. Jászai, Géza: Der Wrangel-Schrank. Ein süddeutscher Kabinettschrank mit ornamenta triumphalis aus dem 16. Jahrhundert. Bildhefte des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Münster 21. Münster 1984. Möller, Lieselotte: Der Wrangelschrank und die verwandten süddeutschen Intarsienmöbel des 16. Jahrhunderts. Berlin 1956.
- 1950 erworben von der Galerie Rudolf, Hamburg
Maße
Höhe 70 cm Breite 100 cm Tiefe 47 cm
Material
Nadelholz, Ahornholz, Pflaumenbaumholz, Birnbaumholz, Nussbaumholz, Pappelholz, Buchsbaumholz, Platanenholz, Berberitzenholz, Eibenholz, Tannenholz, Birkenholz, Ebenholz, Apfelbaumholz, Lindenholz, Kirschbaumholz, Padoukholz, Eschenholz, Alabaster, Messing, Metall Inventarnummer
K-605 LM Standort
Raum 1.17 Kunstwerk des Monats
KdM_11_2011.pdf