August Macke Modegeschäft, 1913
In den Gemälden, welche ab Herbst 1913 in Hilterfingen am Thuner See in der Schweiz entstehen, setzt sich ein neuer Stil durch. Alles wird auf vorher nicht gekannte Weise in Form, Licht, Farbe und Bewegung umgesetzt. Vor allem die Farbe besitzt zum ersten Mal eine ungeheure Intensität. Anhand von wenigen Themen – Spaziergänger im Park, Figuren unter Bäumen, Frauen vor Schaufenstern, Segelboote und Badende Mädchen – entwickelt Macke seine Bildfindungen. Elisabeth Macke schreibt rückblickend: „Was August Macke damals am meisten beschäftigte, war das Dynamische in einem Bild, nicht nur durch die formale Einteilung des Raumes ausgedrückt, sondern vor allem durch das Spiel der Farbtöne gegeneinander, untereinander.“ Die in Hilterfingen gemalten Bilder sind vom Stil her nicht einheitlich: es gibt im „impressionistischen“ Stil ausgeführte Werke auf der einen Seite und auf der anderen eine Anzahl von Arbeiten, die auf einer strengeren, geometrischen Struktur beruhen. Anders als Delaunay geht er jedoch – bis auf ganz wenige Ausnahmen – nicht von abstrakten Farbformen aus, die gegenständliche Assoziationen zulassen, sondern leitet die Struktur von den Dingen selbst her. Diesem Prinzip folgen auch die in der Schweiz entstandenen „Modegeschäfte“ und „Hutläden“. Das Motiv der überdeckten Ladenstraßen, die bunten Glasvitrinen und Schaufenster sowie die eleganten, die Auslagen betrachtenden Frauen macht der Künstler zum Sujet seiner Schaufensterbummel. Die sichtbaren vertikalen und diagonal angelegten Linien und Flächen geben dem Bild seine Struktur. Das helle, rechteckige Feld der rechten Vitrine steht der bunten Auslage des Schaufenster gegenüber, ihr dunkler Sockel und die Hüte stellen das Gleichgewicht zu den übrigen dunklen Flächen her. Das Orange und Rot des Schaufensters wiederholt sich widerum in Rock und Jacke der Spaziergängerin. Der unbeschwerte, fast heitere Eindruck, den die Szene vermittelt, beruht auf der ausgewogenen, harmonischen Wirkung der Farbe.
Tanja Pirsig-Marshall
August Macke und die frühe Moderne in Europa (Ausst. Kat.), Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster; Kunstmuseum Bonn 2001/2002. Ursula Heiderich: Werkverzeichnis der Gemälde, Stuttgart 2008.
Erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen
- 1914–1987 Nachlass des Künstlers
- 1987 erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen