Sherrie Levine The Bachelors (After Marcel Duchamp: Gendarme), 1990
Sherrie Levines Skulpturenfolge The Bachelors (After Marcel Duchamp) ist ein Kunstwerk als Kommentar über Kunst. Wie im Titel erwähnt, kommentiert Levine mit ihrer Arbeit ein Werk von Marcel Duchamp, und zwar Die Braut von ihren Junggesellen nackt entblößt, sogar oder Das Große Glas (1915–1923), eines der meist besprochenen Kunstwerke der Moderne. Einer Deutung von Hans Belting zufolge schuf Duchamp mit dem Großen Glas einen ersten Kommentar über Kunst, dessen Form alle Eigenschaften eines Meisterwerks simuliert, ohne tatsächlich selbst eines zu sein. Ohne genauer darauf einzugehen, sei hier zumindest erwähnt, dass sich die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten des Werks zwischen der oberen, der Braut zugeordneten Hälfte und der unteren Hälfte mit den Junggesellen, die diese Braut begehren, abspielen. In der Arbeit von Sherrie Levine präsentieren sich sechs schmale, hohe Vitrinen, die in einem Rechteck nebeneinandergestellt sind. In den Vitrinen befinden sich sechs Objekte. Es sind plastische Rekonstruktionen einiger auf dem Großen Glas flächig dargestellten Junggesellen. Sie sind aus Eisen gegossen und wirken grob und simpel, fast wie Maschinenteile. Ihre Oberflächen sind matt, die Formen selbst zeigen nur wenige charakteristische Eigenschaften, bleiben eher sprachlos und stumpf. Ohne besondere Präsentationsvorrichtungen liegen sie auf dem blanken Boden der Vitrinen, die eigentlich zu schmal und zu hoch für sie sind. Die Junggesellen wirken dadurch deplatziert und voneinander isoliert. Das Große Glas hat sich auch deswegen an zentraler Stelle der Kunstgeschichte eingeschrieben, weil es eine wichtige Wegmarke weg vom intuitiven Kunst-»schaffen« hin zum geplanten konstruierten Kunst-»machen« darstellt. Levines Werk kommentiert somit auch das kulturelle und künstlerische Vermächtnis zeitgenössischer Kunst und zeigt, wie diese häufig erst durch das Schaffen von wiedererkennbaren Rahmenbedingungen als Kunst wahrnehmbar wird. Hier kommen dann auch die Vitrinen als typische museale Präsentationsmöbel ins Spiel. Dies ist nur einer von vielen Bezügen, die Levine wie ein Netz um die Arbeit spinnt. Es ist ein Vergnügen und eine intellektuelle Herausforderung, sich darin zu verfangen.
Melanie Bono
Sherrie Levine. Mayhem [Ausst. Kat.]. New Haven 2012. Sherrie Levine: pairs and posses [Ausst. Kat.], Ostfildern 2011. Franz, Erich: Sherrie Levine, The Bachelors (After Marcel Duchamps), 1990. In: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster (Hg.): Das Kunstwerk des Monats. August 1993. Münster 1993.
© Sherrie Levine