Carl Friedrich Lessing Gebirgssee, 1846
Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts teilte Carl Friedrich Lessing die fortwirkende romantische Theorie der Landschaftsmalerei, nach der die bloße Naturnachahmung ideenarm sei. Die richtungsweisende Kehrtwende in der Landschaftsauffassung Lessings ging aus seinen intensiven Naturstudien während der 1832 von ihm unternommenen Eifelfahrt hervor. Dort erlebte er die rauhe, zerklüftete Bergwelt, deren Wildheit er sich verbunden fühlte. Zwar hatte er noch ein romantisches Verhältnis zur Natur, jedoch ebneten ihm die Eindrücke der Reise den Weg zum Realismus, zur „Wirklichkeit“ einer geschauten Landschaft. Lessing studierte die exakten geologischen Strukturen intensiv, was ihm die plastische und sachlich korrekte Wiedergabe des Naturbildes ermöglichte. Die Charakteristik der Felsschichten und die richtige Anordnung ihrer Reihenfolge spiegeln sich darin wider. Seine Bemühungen um ein unverfälschtes Abbild der Landschaft erreichen mit dem Gebirgssee einen Höhepunkt, welcher auf die Natureindrücke der Eifelfahrt zurückgeht. Die von Grau-, Grün- und Sandsteintönen dominierten Lichtverhältnisse sind wohlkalkuliert, die Wolkenformationen stehen in einem farblichen Dialog mit dem Wasser. Ist der Mittelgrund noch in ein abweisendes Dunkel gehüllt, so folgt in der darauffolgenden Zone ein Wechsel der Helligkeit bis in die Tiefe des Raumes hinein. Es ist kein unendlicher Landschaftsraum, der den Blick des Betrachters in die Tiefe zieht, sondern einzelne Felsformationen werden wie losgelöst von ihrer Funktion im Bildraum als bedeutsam für die Erscheinung der Natur bestimmt. Die durch den Ausschnitt des Bildraumes resultierenden, maßstablosen Gebilde dramatisieren die Landschaft spürbar.
Patrick Kammann
Carl Friedrich Lessing. Romantiker und Rebell, Kunstmuseum Düsseldorf u. Landesmuseum Oldenburg / Augusteum, hrsg. v. Martina Sitt, Bremen 2000. Wolfgang Hütt: Die Düsseldorfer Malerschule 1819–1869, Leipzig 1984.
Leihgabe des Westfälischen Kunstvereins