Wassily Kandinsky Kreuzform, 1926
Als Wassily Kandinsky 1926 die Kreuzform malte, unterrichtete er seit mehreren Semestern am Bauhaus in Dessau. Von Walter Gropius 1921 dorthin berufen, fing er zu einer Zeit an zu unterrichten, in der sich das Bauhaus von den expressionistischen Einflüssen befreite und von Kandinsky neue Impulse erhoffte. Seine Publikation Über das Geistige in der Kunst war bekannt, und seine Schriften wurden von den Studenten viel diskutiert. Schon 1910 hatte er sich von der Abbildung des Gegenständlichen gelöst und verschiedene Entwicklungen durchschritten. Von der »Impression«, der Darstellung des äußeren Eindrucks, hatte er sich über die »Improvisation «, der Darstellung des inneren Eindrucks, der »Komposition« zugewandt, der bewusst konstruierten Darstellung des Geistigen. Ohne Zweifel ist seine wichtigste Schrift Punkt und Linie zu Fläche, in der er 1926 seine Lehrerfahrungen zusammenfasste. Das Material bildete mehr oder weniger die Grundlage seines Unterrichts. Auch sein eigener malerischer Stil hatte sich entscheidend geändert. Seine explosiven und dramatischen Bilder der Vorkriegsjahre waren präzisen, geometrischen Kompositionen gewichen. Nichtsdestoweniger erkannte er, dass seine Werke nie ganz rational sein konnten, sondern dass sie immer auch das Element der Intuition beinhalteten. Das Regelhafte war für ihn Ausgangspunkt für neue Entdeckungen, Variationen und unvorhersehbare Überraschungen. Zwischen 1925 und 1933 erarbeitete Kandinsky bestimmte formale Probleme und untersuchte das Verhältnis von Fläche und Struktur. Seine unterschiedlichen kreuzförmigen Kompositionen zeichnen sich durch wechselnd angeordnete konstruktive Elemente aus. In dem Bild Kreuzform ist das weiße, unregelmäßige Kreuz die größte Flächeneinheit. Auf der weißen Kreuzform liegen die dunkleren Töne. Auf nahezu vertikalen Achsen reihen sich geometrische Formen – Dreiecke, Rechtecke, Quadrat, Kreis und Halbkreis. Formen und Farbwechsel bilden ein komplexes Beziehungssystem. Den kühlen Farben der oberen Bildhälfte stehen die wärmeren Farben im unteren Bereich gegenüber. Diese Farbgegensätze steigern die Spannung im Bild. Von entscheidender Bedeutung für den farbigen Zusammenklang des Bildes ist der von Kandinsky selbst angefertigte Rahmen mit der blauen Leiste und der violetten Kante.
Tanja Pirsig-Marshall
Stephan, Erik (Hg.): Punkt und Linie zur Fläche. Kandinsky am Bauhaus [Ausst. Kat.]. Jena 2009. Friedel, Helmut (Hg.): Kandinsky. Absolut. Abstrakt [Ausst. Kat.]. München 2008.
Erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen
Maße
Höhe 52 cm Breite 45 cm
Material
Öl, Tempera, Leinwand Inventarnummer
1126 LM Standort
Raum 2.03 Kunstwerk des Monats
KdM_02_1992.pdf