Soest oder Münster Hl. Patroklus aus der Stiftskirche St. Patrokli in Soest, um 1230
Der Soester Stadtpatron erscheint in diesem monumentalen Standbild als wehrhafter Ritterheiliger, bekleidet mit u.a. Kettenhemd, Schuppenharnisch, Stulpenhandschuhen und einem lange Mantel. Entschlossen und elegant zugleich präsentiert er mit beiden Händen sein kurzes Schwert, dessen unteres Drittel verloren ist. Bestoßen ist auch das jugendliche Gesicht des Märtyrers, das von langen Locken gerahmt wird. Auf seinem Kopf trägt Patroklus einen Bügelhelm in Form eines Fürsten- oder Herzoghutes, dessen breite Zierbänder mittels der insgesamt nicht mehr vorhandenen Farbfassung eine Goldschmiedearbeit imitierten. Die um 1230 in der Werkstatt des Paradiesportals des Doms zu Münster entstandene Figur hatte ihren Standort ursprünglich auf einer hohen Säule im Westteil der Patroklikirche. Ikonographisch markiert sie eine wichtige Etappe in der Entwicklung des Patroklus, vom aus Köln importierten Stifts- zum Soester Stadtheiligen, vom frommen Bürger aus Troyes, der noch im verlorenen Wandbild des 12. Jhs. in der Ostaspis als frühchristlicher Märtyrer in langem Gewand mit Palme erscheint, zum gerüsteten Roland. Das Sandsteinbildnis weist erstmals Attribute auf, die – wie das Schwert – nichts mit dem Martyrium des Heiligen zu tun haben, sondern ihn nunmehr als Schutzpatron auszeichnen. Diese Entwicklung steht auch in Zusammenhang mit der Kreuzzugsbewegung und der Idealisierung des Rittertums, das den bürgerlichen Eliten neue Identifikationsmöglichkeiten bot. Die in Soest feststellbare Polarisierung zwischen Stiftskapitel bzw. erzbischöflichem Kölner Stadtherren und Bürgerschaft schlug auch in der Nutzung der Stiftskirche nieder. Während der Westbau mit der älteren bzw. jüngeren Patroklusfigur zunehmend von ersteren beansprucht wurde, waren die geistlichen und liturgischen Belange der Kanoniker im Ostbau, dem spätere Standort des Patroklischreins verortet. Allerdings greift die in den verschiedenen Patroklus-Darstellungen sich abzeichnende Abkehr von der Kölner Herrschaft in der Steinfigur noch nicht: Der prächtige Herzogshut verweist auf die kurfürstliche Würde des Kölner Metropolitans und entspricht einer wohl zugehörigen Inschrift im Westbau, in der es heißt „Soest, ich, Patroklus, bin Dir Herzog und Patron“.
Bistum Münster / LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte (Hg.): Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen [Ausst. Kat. LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 2012], München 2012, Kat. Nr. 7.
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Thümmler, Hans: Die Patroklussäule in Soest, in: Westfalen 45, 1967, S. 78–96.
- 1907 in Weslarn bei Soest erworben, Standort davor die 1823 abgebrochene St. Georgskirche in Soest
- stammt aus der St. Patroklikirche ebenda