Johann Peter Hasenclever Arbeiter vor dem Magistrat, 1848
Ein dunkler Raum mit Bildnissen in wuchtigen Goldrahmen erhält sein Licht durch ein mittig geöffnetes Bleiglasfenster, eine Decken- und eine Wandleuchte. 16 Herren mit weißen Hemden und Krawatten, um einen großen Arbeitstisch mit Papieren und Schreibzeug versammelt, starren gebannt vor Schreck, teils mit offenem Mund, auf eine links im Bild stehende Gruppe von fünf Männern. Deren Sprecher steht vorn, den Hut in seiner Rechten, in der Linken einen Papierbogen. Hinter ihm weist ein Mann erregt auf das Fenster, und eine hochgereckte Faust droht: Revolution! Diese Ölskizze, die der Maler in drei späteren Gemälden detaillierte, steht als erste, schon Ende 1848 bezeugte Fassung noch unter dem frischen Eindruck des Revolutionsherbstes in Düsseldorf. Hasenclever war Offizier der Düsseldorfer Bürgerwehr gewesen, befreundet mit dem Revolutionär Ferdinand Freiligrath und vielleicht Augenzeuge einer Volksversammlung mit 5000 Teilnehmern gegen die Streichung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch den Düsseldorfer Magistrat, die Spitze der Stadtverwaltung. Am folgenden Tag, den 9. Oktober 1848, zogen die Arbeiter vor das Rathaus, eine Deputation drang in den Sitzungssaal vor und forderte »in ungestümer Weise« Beschäftigung – doch die Mittel der Stadt waren erschöpft. Hasenclever hat diese Szene ins Allgemeine gehoben: »Der Ort der Handlung ist Deutschland«, schrieb ein Kritiker 1850. Der Volksauflauf vor dem Rathaus mit der roten Fahne und dem Agitator im Zentrum des Bildes bricht quasi durch das Fenster, das ein Mann geöffnet hat oder schließen möchte, herein. Tageslicht erhellt die selbstbewusst auftretenden Arbeiter. Werfen sie nicht die Frage auf, wer die wahren Volksvertreter sind? Die Stadträte dagegen agieren nur im Dunklen, das nur Kunstlicht etwas erhellt. Sie sind nach dem Dreiklassenwahlrecht zwar gewählt, jedoch vertreten sie nur die besitzende Klasse, also ihr Privatinteresse, nicht das Gemeinwohl. Auch die Herrscherbildnisse, die Königsbüste rechts und die Porträtgrafik des Reichsverwesers Johann von Österreich, beeindrucken niemanden mehr. Hasenclevers politisches Genrebild karikiert die Stadträte als bornierte Besitzbürger angesichts des politischen Erwachens des »Vierten Standes«, der Arbeiterschaft.
Gerd Dethlefs
Dethlefs, Gerd: Michel vor der Obrigkeit. Vierte Fassung des Gemäldes »Arbeiter und Stadtrat« entdeckt, in: Westfalenspiegel. 48. Jg., Nr. 3/1999. S. 24. Soiné, Kurt: Johann Peter Hasenclever. Ein Maler im Vormärz, Neustadt/Aisch 1990 (Bergische Forschungen 21), S. 166–190.
Leihgabe des Westfälischen Kunstvereins
Maße
Höhe 47 cm Breite 63.5 cm
Material
Öl, Leinwand Inventarnummer
270 WKV Standort
Raum 1.29 Kunstwerk des Monats
KdM_05_1986.pdf