Otto Dix Bildnis des Malers Willi Kriegel mit dem Porträt seiner Frau, 1932
Der Blick des Betrachters wird von dem maskenhaften Gesicht der Porträtierten angezogen. In ihrem ebenmäßig weiß geschminkten Gesicht wirken ihre blassblauen Augen kalt, ihr roter Mund zusammengekniffen. Das Gesicht hat etwas Vampirartiges. Mit ihren leuchtend roten Haaren gleicht sie einer »Femme fatale«. Das rot-orangefarbene Haar und die gestreckten, fast kristallinen Formen des Hintergrundes stehen im auffallenden Kontrast zu der gebückten, in dunkleren Farben dargestellten Person in der unteren Bildhälfte, der etwas Gedrungenes anhaftet. Otto Dix stellt hier den Maler Willy Kriegel und seine amerikanische Frau Marie-Louise dar. Eine Fotografie Kriegels aus dem Jahr 1934 zeigt, dass diese Haltung vor der Staffelei typisch für ihn ist. Der Vergleich des Gemäldes mit der Kohlezeichnung von Dix, die als Grundlage diente, zeigt Marie-Louise noch wirklichkeitsnäher, aber schon mit einer Aura um den Kopf. Die Leinwand mit ihrem Bildnis wird noch vom Bildrand abgeschnitten. Die ungewöhnliche Geste der Hand findet sich in beiden Darstellungen. Das Bild, an dem Kriegel arbeitet, ist wirklich entstanden, und Dix hat diese Atelierszene – den Maler beim Porträtieren seiner Frau – festgehalten. Willy Kriegel war in Dresden als freischaffender Künstler tätig, Dix unterrichtete als Professor an der dortigen Akademie. In dieser Zeit entstanden Bildnisse mehrerer Künstlerkollegen, unter anderem auch von Franz Radziwill. Oft waren Dix’ Porträts keine Auftragsarbeiten, sondern Versuche, den Ausdruck seiner Zeit zu finden. Die altmeisterliche Lasurtechnik, die exakte Darstellung mit ihren krassen Farben sowie Übertreibungen wie das hervorquellende Auge sind typisch für den Stil von Otto Dix in den 1930er-Jahren. Über die Porträtmalerei äußerte er sich: »Wenn ich zu einem Menschen sage, Sie möchte ich malen, habe ich das Bild bereits in mir.« (Zit. nach: Hirt, 1998, S. 2). In seinen Gedanken zum Porträtmalen hielt er zudem 1955 fest: »Nicht nur die Form, auch die Farbe sind wichtig und Ausdruck des Individuellen. Jeder hat eine spezielle Farbe, welche einen Einfluss auf das gesamte Bild hat. Das Äußere der Dinge ist mir wichtig, denn mit der Wiedergabe äußerer Gestalt fängt man auch das Innere ein.« (Zit. nach: Hirt, 1998, S. 2).
Tanja Pirsig-Marshall
Hirt, Patrick: Otto Dix, Bildnis des Malers Willy Kriegel mit dem Porträt seiner Frau, 1932. In: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster (Hg.): Das Kunstwerk des Monats. November 1998. Münster 1998. Kunstmuseum Stuttgart (Hg.): Das Auge der Welt. Otto Dix und die Neue Sachlichkeit [Ausst. Kat.]. Ostfildern 2012. Peters, Olaf (Hg.): Otto Dix. München 2010. Barron, Stephanie (Hg.): Expressionismus. Die zweite Generation 1915–1925. München 1989.
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- bis 1969 im Besitz des Künstlers
- 1969–1987 Nachlass des Künstlers/Martha Dix, Gaienhofen/Otto Dix Stiftung (seit 1983), Vaduz
- 1976–1987 als Dauerleihgabe im LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster
- 1987 erworben über die Galerie Valentien, Stuttgart