Conrad von Soest Rechter Flügel eines Tabernakels (?): Heilige Odilia, um 1410
Der im frühen 15. Jahrhundert in Dortmund tätige Maler Conrad von Soest zählt zu den bedeutendsten deutschen Künstlern seiner Zeit. Die Feinheit und Kostbarkeit seiner eleganten Malereien zeugt vom Einfluss der burgundischen Hofkunst in Westfalen und fand zahlreiche Nachfolger. Neben den beiden Arbeiten in Münster haben sich jedoch nur wenige Gemälde erhalten, wie zum Beispiel der von ihm signierte Altaraufsatz (Retabel) mit Passionsszenen in Bad Wildungen und ein Retabel in der Dortmunder Marienkirche. Die Tafeln mit den beiden Heiligen Dorothea (mit dem Blumenkörbchen) und Odilia (mit Palmenzweig und Buch) stammen aus der ehemaligen Augustiner-Chorfrauenkirche St. Walburgis in Soest (vgl. Text zum sogenannten Soester Antependium, Inv.-Nr. 1 WKV). Vermutlich wurden sie bei Conrad von Soest um 1410 in Auftrag zu geben, um einen Schrein (Tabernakel) mit einer silbernen Marienfigur zu schmücken. Darauf deuten die nach innen gewandte Ausrichtung der Figuren und die Inschrift im Buch der Odilia hin, die ersten Zeilen eines Mariengebets, mit der sie sich an die Muttergottes wendet. Diese Fürbitte erfolgte stellvertretend für die frommen Frauen, die im Walburgiskonvent lebten. Mit dem Eintritt in das Stift folgten sie dem Vorbild der dargestellten Märtyrerinnen in ihrem jungfräulichen und dem Gottesdienst geweihten Leben. Die Heiligen werden vor goldenem Hintergrund von Marmorbaldachinen überfangen. Die mit weißen Blüten durchsetzte Wiese, die Pracht der Seidengewänder, die mit feinen Stuckperlen besetzen Kronen – all dies veranschaulicht ihre Tugenden, denen sie ihre Aufnahme in die himmlischen Sphären verdanken. Für die wirklichkeitsnahe Gestaltung der wertvollen Stoffe konnte Conrad von Soest im Übrigen auf reale Vorlagen zurückgreifen, die durch den Hansehandel nach Dortmund gelangt waren. Um 1460 fanden die beiden Tafeln als Türen eine neue Verwendung – vermutlich für ein Schränkchen zur Aufbewahrung der Hostien. Darauf deutet die Darstellung einer sogenannten Gregorsmesse auf den Außenseiten: Papst Gregor dem Großen erscheint als wundersamer Beleg für die Wandlung der Hostie zum Leib Christi der Schmerzensmann mit den Wundmalen auf dem Altar. Brandspuren zeugen von der Aufstellung von Kerzen vor diesem Gemälde.
Marx 2014
Brigitte Buberl (Hg.): Conrad von Soest. Neue Forschungen über den Maler und die Kulturgeschichte der Zeit um 1400 (Dortmunder Mittelalter-Forschungen, Bd. 1). Bielefeld 2004. Thomas Schilp / Barbara Welzel (Hg.): Dortmund und Conrad von Soest im spätmittelalterlichen Europa (Dortmunder Mittelalter- Forschungen, Bd. 3). Bielefeld 2004. Brigitte Corley: Conrad von Soest. Maler unter fürstlichen Kaufherren [Bestandskatalog Nr. 3]. Berlin 1996. Petra Marx: Hl. Dorothea und Hl. Odilia aus St. Walburgis in Soest, um 1410/20, in: Einblicke – Ausblicke. Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, hrsg. v. Hermann Arnold, im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wienand Verlag, Köln 2014, S. 72f.
Leihgabe des Westfälischen Kunstvereins
Maße
Höhe 94.5 cm Breite 27.7 cm
Material
Tempera, Eichenholz Inventarnummer
3 WKV Standort
Raum 1.05 Kunstwerk des Monats
KdM_12_2004.pdf