Anthony Caro Shade, 1968 – 1973
Anthony Caro zählt zu den einflussreichsten britischen Bildhauern der Generation nach Henry Moore. Mit seinem Œuvre trat er entschieden für den Eigenwert der Kunst ein. Er betonte stets, wie sehr er die formalistische Ästhetik seiner Skulpturen als eine Möglichkeit zum Ausdruck von Gefühl, von visueller Bereicherung für den Betrachter sah. Vehement lehnte er den in den 1960er und 1970er Jahren aufkommenden Anspruch ab, Kunst müsse vor allem auf Themen und Inhalte außerhalb ihrer selbst verweisen. Während Henry Moore, dessen Assistent Caro in den 1950er Jahren war, in seiner abstrakten Formensprache stets mit der Natur verbunden blieb, nutzte Caro ab 1960 besonders gern vorgefertigte Formen der industriellen Massenproduktion. Die zu anderen Zwecken hergestellten Stahlelemente setzte er zu seinen Skulpturen zusammen. Geschlossene Volumen, die eine einheitliche Oberfläche ergeben, ersetzte Caro durch sich ergänzende Einzelformen, die er als Abfolgen nebeneinander platzierte. Dadurch entstanden Skulpturen, in denen sich die einzelnen Formen miteinander verketten, aufeinander Bezug nehmen oder sich voneinander abgrenzen. Immer wieder entstehen neue Ein- und Durchblicke, ist das Auge des Betrachters dem Rhythmus der Ästhetik von konvexen und konkaven Flächen, von geraden und gerundeten Linien überlassen. Das Kreissegment dominiert die Komposition, zugleich sind alle Teile in ein vereinheitlichendes Rot getaucht und betonen damit den Zusammenhang der Skulptur. Die Plastiken von Caro entstanden spontan, sie sind nicht das Ergebnis von langwierigen Vorplanungen. Dabei entwickeln sich seine Kompositionen meist, ebenso wie bei Shade, in die Horizontale. Dies betont die Gleichwertigkeit der Elemente, die zum Ganzen beitragen. Caro selbst empfahl, seine Skulpturen aus der Nähe zu betrachten: Erst durch die allmähliche visuelle Erschließung der Einzelteile könne eine zeitliche Komponente in seine Skulpturen mit einfließen. Wie in der Musik entwickelt sich dann die »Melodie« der Plastik erst nach und nach.
Melanie Bono
Barker, Ian: Anthony Caro. Quest for the New Sculpture. Künzelsau 2004.
Caro, Anthony / Wilkin, Karen: Caro. München 1991.
Güse, Ernst-Gerhard: Anthony Caro, Shade 1968/73 (Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster. Das Kunstwerk des Monats, Juni 1985), Münster 1985.
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Erworben mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen
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