Heinrich Brabender Pharisäer aus der Ecce-Homo-Gruppe, um 1520 – 1530
In der Zeit um 1500 bestimmte das herausragende künstlerische Schaffen des in Münster ansässigen Bildhauers Heinrich Brabender die Ausstattung der hiesigen Kirchenbauten. Vielleicht für den Bereich des Doms schuf er mindestens drei monumentale Figurengruppen, welche anschaulich und drastisch die Höhepunkte der Passionsgeschichte erzählen: die sogenannte Darstellung Christi vor dem Volk, auch als »Ecce Homo« (lateinisch für »Siehe, der Mensch«) bekannt, die Handwaschung des Pilatus und die Kreuzigung. Nur wenige Jahre nach ihrer Entstehung, wohl um 1520/30, fielen die Sandsteinfiguren dem Bildersturm der Täufer zum Opfer. Zerschlagen und zur Befestigung des Stadtwalls verwendet, kamen sie erst 1899 bei Ausgrabungen am Kreuztor wieder ans Tageslicht (vgl. Text Johann Brabender, Adam und Eva vom Paradiesportal des St. Paulus-Doms in Münster, Inv. Nr. D-454 DK). Die Zusammensetzung und Anordnung der im Zweiten Weltkrieg nochmals beschädigten Figuren ist daher nicht gesichert. Dargestellt ist der im Johannesevangelium (Joh 19,5) beschriebene Moment der Präsentation des mit einem roten Purpurmantel und der Dornenkrone versehenen und so als »König der Juden« verspotteten Christus durch den römischen Statthalter. Dessen Figur war mit dem demütig sich beugenden Gottessohn aus einem Block gearbeitet. Andere Darstellungen Christi als Schmerzensmann von Heinrich Brabender lassen vermuten, dass er die Hände über der Brust gekreuzt hatte. Der Pharisäer und der Hohepriester (mit Gürtel) zu seiner Linken sind durch einen Turban und andere Details ihrer Bekleidung als Orientalen gekennzeichnet. Ob die beiden Frauen mit den Kindern ursprünglich zu dieser Gruppe gehörten oder doch zur Kreuzigungsszene, ist unklar. Für die Gestaltung seiner Ecce-Homo-Gruppe konnte Heinrich Brabender auf weitverbreitete Kupferstiche seiner Zeit, unter anderem von Albrecht Dürer, Martin Schongauer und dem westfälischen Kupferstecher Israhel van Meckenem, zurückgreifen. Typisch für seine Arbeiten an der Schwelle zwischen Mittelalter und Renaissance sind die ausdrucksvollen Gesichter der Figuren, ihre lebhafte Mimik und Gestik, unterstrichen durch die kraftvolle Faltenbildung der Gewänder. Die lebensgroßen szenischen Gruppen sind sicherlich auch als ein Echo auf die in dieser Zeit beliebten Passionsspiele zu sehen.
Petra Marx
Arnhold, Hermann (Hg.): Die Brabender. Skulptur am Übergang vom Spätmittelalter zur Renaissance [Ausst. Kat.]. Münster 2005. Einblicke – Ausblicke. Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, hrsg. v. Hermann Arnold, im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wienand Verlag, Köln 2014, S. 94 (Petra Marx) Weigel, Thomas: Der Bildhauer Heinrich Brabender und sein Werk. In: Arnhold, Hermann (Hg.): Die Brabender. Skulptur am Übergang vom Spätmittelalter zur Renaissance [Ausst. Kat.]. Münster 2005. S. 39–53. Pieper, Paul: Heinrich Brabender. Ein Bildhauer der Spätgotik in Münster. Münster 1984.
Maße
Höhe 190 cm Breite 65 cm Tiefe 50 cm
Material
Baumberger Sandstein Inventarnummer
D-255 LM Standort
Raum 1.11