Richard Ernst Artschwager Ohne Titel (Fahrradständermonument B), 1987
Für die Skulptur Projekte in Münster 1987 installierte Richard Artschwager zwei Fahrradständermonumente. Eines ist erhalten, wenn auch nicht mehr am ursprünglichen Ort: Vor dem südlichen Wachhäuschen auf dem Schlossplatz stehen seit 1997 fünf Fahrradständerelemente aus Beton, wie sie in den 1980er Jahren das Stadtbild von Münster prägten. Sie waren Ausdruck des vergeblichen Versuches der Stadtverwaltung, Ordnung in das Chaos des ruhenden Verkehrs – der allseitig abgestellten Fahrräder – zu bringen. Artschwager fügte in die Reihe der Ständer ein weiteres Element ein, aus dem ein vertikaler Auswuchs – er spricht von einer „Metastase“ (Bußmann / König 1987) – fast drei Meter in die Höhe ragt. Seit den 1960er Jahren arbeitet der Künstler immer wieder mit Objekten, die sich formal und inhaltlich zwischen Möbel und Kunstwerk bewegen, verfremdete Alltagsobjekte, die trotz Überformung ihren praktischen Nutzen nicht verlieren: eine für ihn typische Form des Readymades (König 2007). In Münster präsentierte er 1987 seine erste Arbeit für den öffentlichen Raum: Man kann sie als einen ironischen Beitrag zur Diskussion über den Stellenwert von Kunst im städtischen Raum verstehen, denn nicht nur in Münster waren in den 1970er und 1980er Jahren Betonelemente das bevorzugte Gestaltungselement, um öffentliche Plätze zu verschönern. Pflanzkübel mit pflegeleichtem Grün sollten vielerorts stadtplanerisches Unvermögen kaschieren. Dabei war insbesondere der Zustand der Kübel ein sicheres Zeichen für die Aufmerksamkeit, die Stadtverwaltung und Anwohner einem Platz schenkten. So konnten die Pflanzen nur durch fleißiges Gießen die trockenen Sommermonate überstehen. Entsprechend traurig sahen solche Ensembles nach wenigen Jahren häufig aus. Auch aus Artschwagers Fahrradständer-Metastase sind – unten und oben – Pflanzen gewachsen. Die Möblierung eines typischen Innenstadtplatzes scheint so auf wenige Quadratmeter konzentriert. Was heute auf dem Schlossplatz einsam in die Höhe ragt, fügte sich am ursprünglichen Standort vor einer Wand im Bispinghof zwischen zwei Fenster. Auch dort stand man vor der Frage, wie der kleine Baum, der 1987 oben aus der Stele herausragte, am Leben erhalten werden könne. Ein Problem, das Artschwager offenbar amüsierte: Er schlug ein kompliziertes, unrealisierbares Bewässerungssystem vor(Bußmann / König 1987). Der Baum hat das Jahr nicht überlebt, ebenso wie sein Pendant am Fuße der Stele und all die weiteren Bäumchen, die seither neu gepflanzt wurden.
Eckhard Kluth
Kasper König: Forty Years of Richard Artschwager – Continuities and Discontinuities, Laudatio for Richard Artschwager on the Occasion of the Award of the Roswitha Haftmann Prize, 2007, siehe online: www.roswithahaftmann-foundation.com/en/prizewinners/2007_laudatio_ra.htm [24.10.2017].
Klaus Bußmann / Kasper König: Skulptur Projekte in Münster 1987 [Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1987], Köln 1987, S. 36.
Skulptur-Projekte 1987