

unbekannt Stadt Münster, Plombierstempel des „Wandmacheramts“ (Wüllnerzunft), 1764
Technisch gesehen funktioniert ein so genannter Plombierstempel, also ein Werkzeug zum Beprägen einer Tuchplombe, wie ein Münzprägestempel. Durch Hammerschläge auf das eine Ende des Vierkanteisens mit geschrägten Ecken, wodurch sich das Material verformt und häufig aufreißt, wird das andere Ende mit der gestählten Prägeplatte in das Metall, meist Blei, gedrückt. Die natürlich spiegelbildlich gravierte runde Prägeplatte zeigt unten einen Bischof von vorn in geistlichem Gewand mit Pektorale und Mitra, in der Rechten den Krummstab, in der Linken einen zunächst nicht identifizierbaren Gegenstand haltend. Darüber befindet sich der barocke Münsterer Balkenschild, umgeben von den Buchstaben S – S, darunter die Jahreszahl 1764; die Umschrift nennt die stempelführende Institution, das WANDMACHER AMBT IN MUNSTER. Wandmacher waren die Verarbeiter von Wollstoffen, auch als Wüllner bezeichnet, die hier als Zunft („Amt“) auftreten und die nachweislich sogar über ein eigenes Siegelhaus, wo die Stoffballen geprüft und verplombt wurden, verfügten. Die zwei Buchstaben sind wohl als S[anctus] S[everus] aufzulösen; der heilige Severus war Mitte des 4. Jahrhunderts Bischof von Ravenna und der Legende nach ursprünglich Weber, weshalb er zum Patron dieses Handwerks in zahlreichen Orten nicht nur Westfalens wurde. Dass 1764 ein neuer Plombierstempel mit der auch bildlichen Darstellung des heiligen Severus als Bischof – der Gegenstand in der linken Hand dürfte dann ein Werkzeug aus dem Textilgewerbe sein – hergestellt wurde, könnte mit den lokalen Ereignissen im Kontext des Siebenjährigen Krieges zusammenhängen, als Münster von hannoverschen Truppen heimgesucht wurde. Bei dem Stempel handelt es sich um das bisher einzige aus Westfalen erhaltene Original, während aus echten Hochburgen des Textilgewerbes, etwa in den Niederlanden, durchaus zahlreiche Plombierstempel überliefert sind. SK
Stefan Kötz
Leihgabe des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens Abteilung Münster e. V.
- o. J. (vor 1907/27) erworben, Erwerbungsumstände unklar
Maße
Länge 111.2 mm Durchmesser 23.8 mm
Material
Metall Inventarnummer
SI-43 AV Standort
Nicht ausgestellt Kunstwerk des Monats
KdM_06_2007.pdfVerwandte Begriffe
Ähnliche Objekte

unbekannt
Monstranz aus der St. Johannes Baptist-Kirche in Milte
unbekannt
Brauttruhe

unbekannt
Römisches Reich, Gemeinschaftsprägung von Septimius Severus (193–211) und Caracalla (198/211–217), Aureus o. J.; Schmuckanhänger in oktogonaler durchbrochener Fassung mit Öse, 3. Jh. (gefunden 1961 in Hornoldendorf, Kreis Lippe)

unbekannt
Zwei Operngläser (lorgnetto) mit den Dekor "La ventueuse Athénienne"