Ludger tom Ring, der Jüngere Porträt von Dietrich Kostede, 1570
In abwartender Haltung eine Hand am Dolchgriff, die andere am Gürtel, blickt der 25-jährige kühl, fast abschätzig auf den Betrachter, getrennt von ihm durch die im Porträtwerk der tom Rings so häufig anzutreffende Steinbrüstung. Auf ihr liegt ein Brief mit der Aufschrift: "Dem Ersamen vnd Ehrve(sten) frommen Kunstrychen Diderich Kostede Goldtschmit von Minden. Jetzt binnen Brunschwyg in ey gen hant freutlich gt." Trotz dieser Adresse, die noch durch eine Hausmarke in Kreuzform und die Buchstaben LVK ergänzt wird, ist es bisher nicht gelungen, einen Goldschmied mit Namen Dietrich Kostede in Minden oder Braunschweig nachzuweisen. Ähnlich dem Bildnis Albert Bussmanns vermittelt sich auch hier anstelle eines lebendigen ein stark formalisiertes Abbild im Typus des eleganten Zeitideals. Hierzu trägt wesentlich die dunkle, den Körper verbergende Kleidung bei, die das Gesicht zwar betont, es aber gleichzeitig durch Halskrause, Kragen und Kopfbedeckung streng eingrenzt. Ein formales Moment, das auch die Gesichtszüge wie "gebändigt" erscheinen lässt. Im Bildnis dieses eleganten Bürgers erinnert nichts mehr an die lebendigen "Berufsporträts" der Renaissance, wenn man einmal absieht vom Ring am kleinen Finger und dem Dolchgriff in Treibarbeit. Die Darstellung ist bei durchaus feststellbarer physiognomischer Individualität eingeschrieben in ein allgemeines Ideal der Repräsentation und Standesdefinition.
Angelika Lorenz
- 1904 erworben vom Provinzialverband Münster