Johann Christoph Rincklake Brustbildnis Karl Freiherr vom und zum Stein (1757–1831) als preußischer Minister, wohl November/Dezember 1804
Der dunkelblaue Rock, dessen schwarzer, goldbestickter Kragen den Kopf seitlich stützt, wirkt wie ein Sockel des mächtigen Kopfes, während der helle, trichterförmige Brustausschnitt wie ein Lichtkegel den Blick des Betrachters auf das aus dem Bild leuchtende Gesicht lenkt. Die Augen fixieren den Betrachter, die kräftige Nase und die schmalen Lippen zeugen von Energie, die leicht ergrauten Haare von Lebenserfahrung. Der Betrachter gerät gleich in den Bann des energischen, erfolgreichen Verwaltungsbeamten. Zeitgenossen beschrieben Stein als kleinen, gedrungenen Mann auf stämmigen Füßen, »mit dem ernsten, bedeutungsvollen Gesicht und dem scharfen, leuchtenden Blick«, »der hohen, ernsten gewaltigen Stirn, den feinen, dünnen und satyrischen Lippen«, seinen »hellen, feurigen Augen«. Unter den wenigen gemalten Bildnissen, die es überhaupt von Stein gibt, ist das des münsterschen Starporträtisten Rincklake wohl das beste und – bekannt erst seit 1999 - das einzige in öffentlichem Besitz. Das Amtsporträt zeigt den westfälischen Oberkammerpräsidenten nach 20-jähriger Tätigkeit in den Westprovinzen in der Uniform eines königlich preußischen Staatsministers, nachdem er am 27. Oktober 1804 zum Finanzminister ernannt worden war. Das vor der Abreise nach Berlin (26. November) entstandene Gemälde ist wohl das, welches man im »Sessions Zimmer« des Regierungsgebäudes aufhängte. Stein, der 1806 nach englischem Vorbild erstmals preußisches Papiergeld (die »Tresorscheine«) ausgab, wurde nach dem für Preußen verlustreichen Frieden von Tilsit (9. Juli 1807) Chefminister und schuf durch die von ihm 1807/08 eingeleiteten Reformen – Bauernbefreiung, Städteordnung, Regierungsreform – wesentliche Voraussetzungen für den politischen Wiederaufstieg Preußens in den Jahren 1813 bis 1815. Als erster "Landtagsmarschall" (Präsident) des Westfälischen Provinziallandtages von 1826 bis 1831 gilt er als Vater der bis heute bestehenden kommunalen und regionalen Selbstverwaltung. Stein ist eine derjenigen westfälischen Identifikationsfiguren, die über Westfalen hinaus nationalen und internationalen Rang haben.
Gerd Dethlefs
Einblicke – Ausblicke. 100 Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, hg. von Hermann Arnhold, Köln 2014, S. 144-145 (Gerd Dethlefs). Dethlefs, Gerd: Die Porträts des Freiherrn vom Stein, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.): Stein. Die späten Jahre des preußischen Reformers 1815–1831, Göttingen 2007, S. 169–196, hier S. 171–173. Westhoff-Krummacher, Hildegard: Johann Christoph Rincklake. Ein westfälischer Bildnismaler um 1800, München/Berlin 1984, S. 63/64, 402/403 (Wiederholung in Privatbesitz).
Leihgabe der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege
Maße
Höhe 62 cm Breite 48.3 cm
Material
Öl, Leinwand Inventarnummer
2197 LG Standort
Raum 1.26 Kunstwerk des Monats
KdM_11_2005.pdf