Schon drei Jahre nach der Entstehung des Selbstbildnisses der Malerin Élisabeth Vigée-Lebrun 1782 fertigte Johann Gotthard Müller einen Kupferstich danach an. Das originale Ölgemälde befindet sich heute in der Sammlung des Baron Edmond de Rothschild; eine spätere Version, ebenfalls von der Hand der Künstlerin, ist in der National Gallery in London ausgestellt. Müller, der zu den wichtigsten Stechern seiner Zeit in Deutschland gehört, wurde zunächst in Stuttgart und dann in Paris unterrichtet, wo er 1776 schließlich in die „Académie Royale de Peinture et Sculpture“ aufgenommen wurde. Bei seinem zweiten Parisaufenthalt sah Müller das Selbstbildnis Vigée-Lebruns 1783 im Salon der „Académie Royale“ und fertigte den Kupferstich danach an. Élisabeth Vigée-Lebrun wurde schon als Kind von ihrem Vater Louis Vigée (1715–1767) und nach dessen Tod von Claude Joseph Vernet (1714–1789) in der Malerei unterrichtet. Da ihr Mann Jean-Baptiste-Pierre Lebrun (1748–1813) Galerist war, konnte er Vigée-Lebrun wichtige Kontakte und Aufträge vermitteln. So wurde sie während der 1780er Jahre schnell zu einer der angesagtesten Porträtmaler*innen in Paris und ab 1778 sogar eine der Lieblingskünstler*innen der französischen Königin Marie-Antoinette (1755–1793). Das Selbstbildnis, mit dem sie als eine von vier möglichen Frauen in die „Académie Royale“ aufgenommen wurde, zeigt sie als Künstlerin und gesellschaftlich gut situierte Frau ihrer Zeit. Orientiert hat sich die Künstlerin an einem Bildnis Peter Paul Rubens (1577–1640), das dieser von seiner späteren Schwägerin Susanna Lunden (1599–1643) gemalt hatte. Der Kupferstich von Müller ist gegenüber dem Gemälde seitenverkehrt, gibt die junge Frau und ihre Attribute aber sonst identisch wieder. Vigée-Lebrun selbst kannte den Kupferstich, bemängelte allerdings, „dass die schwarzen Schatten der Gravur die Wirkung eines solchen Gemäldes zunichtemachen“ würden. 

Porträtarchiv Diepenbroick