
Wilhelm Morgner Ornamentale Komposition VI, 1912
Wilhelm Morgner ist erst 26 Jahre alt, als er 1917 im Ersten Weltkrieg fällt. Sieht man von seinen frühen Kinder- und Schülerzeichnungen einmal ab, so bleibt ihm nur die Zeit zwischen 1909 und 1913, um sein umfangreiches Werk mit über 200 Gemälden und mehr als 2000 Zeichnungen und Druckgrafiken zu schaffen. Das Jahr 1912 ist dabei für seine künstlerische Entwicklung von besonderer Bedeutung. Eine intensive Farbigkeit, starke Formvereinfachungen, der Verzicht auf Modulation durch Licht und Schatten kennzeichnen jetzt sein Werk und führen zu einer deutlichen Betonung des Flächenhaften in seiner Malerei. Einige Arbeiten haben einen nahezu ornamentalen Charakter. So ist erst auf den zweiten Blick in der 1912 entstandenen „Ornamentalen Komposition VI“ die in der linken Bildhälfte in Seitenansicht hockende Figur erkennbar, an die sich eine zweite in die rechte Bildhälfte neigende anschließt. Umgeben sind beide Gestalten von radial angeordneten roten, blauen und orangenen Farbstrahlen, die partiell über die Bildbegrenzung hinweg zu laufen scheinen. Deutlich voneinander abgesetzte, bogenförmige Pinselstriche in Grün und Blau definieren die Himmelszone des Gemäldes, die von einer gelben, an eine Wolke erinnernde Form aufgelockert wird. Ein Rätsel geben die diagonal in die rechte obere Bildhälfte strebenden roten und blauen Farblinien auf. Sie erwachsen aus den konturierenden Linien der hockenden Figur und ragen, in Kreisformen endend, weit in die Himmelszone hinein. Mit der Werkgruppe der „Ornamentalen Kompositionen“ kommt Morgner seiner künstlerischen Intention, der Überwindung der gegenständlichen Malerei, einen bedeutenden Schritt näher. Finden sich in der „Ornamentalen Komposition VI“ noch Verweise auf naturalistische Formen und einen traditionellen Bildaufbau, so werden diese in seinen als „Astrale Kompositionen“ bezeichneten Werken zugunsten einer rein aus Farben aufgebauten Bildkomposition aufgegeben.
Dieses Werk ist ausgestellt in der Westfälischen Galerie Kloster Bentlage, Rheine.
Klaus Bußmann: Wilhelm Morgner 1891-1917. Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik [Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster], Münster 1991.
Vera Losse: Die Westfälische Galerie in Kloster Bentlage (Bildhefte des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Nr. 34), Münster 1996.
- 1959 erworben aus dem Nachlass des Künstlers/Maria Korff-Morgner, Soest