
Wilhelm Morgner Frau mit brauner Schubkarre, 1911
Die Äcker und Felder der Soester Börde und die Alltagswelt der dortigen Bauern, Holz- und Ziegeleiarbeiter bestimmen bis in das Jahr 1912 hinein die Bildthemen Wilhelm Morgners. Dabei hat er, 1891 in Soest geboren, ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu seiner Heimatstadt. Wie viele andere Künstler seiner Generation rebelliert auch er gegen die in seinen Augen veraltete, an klassischen Vorbildern ausgerichtete akademische Kunstauffassung der Wilhelminischen Zeit. Morgner strebt die Überwindung der gegenständlich-realistischen Malerei an, um allein durch Farbe, ungebunden an Formen, dem inneren Wesen der Malerei Ausdruck zu verleihen. Mit diesen avantgardistischen Ideen, verbunden mit seinem unangepassten Auftreten, trifft er in der kleinstädtisch geprägten Gesellschaft Soests auf wenig Verständnis. Und doch stellt der Künstler die einfachen Menschen seiner Stadt bei ihren Tätigkeiten auf den Äckern und Feldern immer wieder dar. Sind seine frühen Arbeiten in Bildaufbau und Tonigkeit noch stark der akademisch-traditionellen Malerei verhaftet, so lässt sich ab 1911 ein deutlicher Wandel feststellen. Es entstehen eine Reihe von monumentalen Werken, zu denen auch das Gemälde „Frau mit brauner Schubkarre“ gehört. Nahezu bildparallel schiebt eine Bäuerin eine große Holzkarre, beladen mit zwei blauen Kisten, über einen hügeligen Untergrund. Mit dunklen Konturen fasst Morgner die einzelnen Motivbestandteile vereinfachend zusammen und verleiht ihnen eine ruhige Festigkeit. Die sanften Hügel der Äcker und Felder des Mittelgrundes bildet er durch grüne, gelbe und orangefarbene Farbflächen aus, die sich durch Konturlinien voneinander abgrenzen. Davon unterscheiden sich die Äcker im Vordergrund und die Gestaltung des Himmels deutlich. Ohne formgebende Konturierung setzt Morgner mit breiten Pinselstrichen kontrastierende Farben bogen- und wellenförmig nebeneinander und erzielt damit den Eindruck von Licht, Bewegung und räumlicher Tiefe. In seinen Motiven bleibt Morgner noch der gegenständlichen Malerei verhaftet. Er legt diese Motive jedoch in einer überlegt-konstruierenden Linien- und Pinselführung sowie in einer strahlenden Farbigkeit an.
Dieses Werk ist ausgestellt in der Westfälischen Galerie Kloster Bentlage, Rheine.
Ernst-Gerhard Güse: Wilhelm Morgner (Bildhefte des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Nr. 20), Münster 1983.
Vera Losse: Die Westfälische Galerie in Kloster Bentlage (Bildhefte des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Nr. 34), Münster 1996.
- 1959 erworben aus dem Nachlass des Künstlers/Maria Korff-Morgner, Soest