




Friedrich Messing Becher mit Dortmunder Femelinde, nach 1845
Nur noch der Randstab mit der Rückseitenumschrift entlang dem Becherrand und auf dem Rand die Münzrandschrift sind von der ursprünglichen Münze zu sehen. Aus einem preußischen Doppeltaler von 1845 hat der Dortmunder Silberschmied Friedrich Messing (1799–1868) den Becher getrieben. Er ist vergoldet und zeigt eine Linde, dazu die gravierte dreizeilige Inschrift DER FREISTUHL ZU DORTMUND | Die letzten Ueberreste der ehemaligen | Vehmgerichte in Westphalen. Freistuhl hießen in Westfalen seit dem 13. Jahrhundert die allgemeinen Landgerichte für alle Freie mit Zuständigkeit für schwere Rechtsfälle. Im Spätmittelalter erlangten manche dieser Gerichte, auch der Stuhl zu Dortmund, einen besonderen Status als sogenannte Fem(e)gerichte, verbunden mit einem reichsweiten Rechtsprechungsanspruch. Diese Sondergerichtsbarkeit ging bald stark zurück; bis 1803 war auch der Dortmunder Stuhl, gelegen unter den Linden vor den Toren der Stadt, nurmehr von lokaler Bedeutung. Die beiden Linden waren Anfang des 19. Jahrhunderts freilich längst am Absterben, die eine verbliebene seit 1847 zudem zunehmend von Bahnhofsgebäuden umgeben. Auf dem Becher allerdings breitet sie in kräftigem Wuchs aus knorrigem Stamm ihr dichtbelaubtes, ausladendes Blätterdach über Gerichtstisch und -bank, von der Stadt ist nichts zu sehen. Isoliert und idealisiert wird die Linde hier als Symbol für die alten westfälischen Freigerichte mit dem Hauptstuhl Dortmund, Symbol somit auch für die Reichsstadt, präsentiert. Verquickt mit der spätmittelalterlichen Feme, einer ganz und gar westfälischen Spezialität, konnte die Linde so aber auch zu einem Symbol für Westfalen werden. Es war die Zeit der Romantik mit ihrem Interesse an der Geschichte und deren Relikten, auch die Zeit des Vormärz mit seinen politisch-nationalen Idealen, die Symbole, Denkmäler, Identifikationsorte, brauchten. Und von einem solchen westfälischen Identifikationsort ist die „Dortmunder Femelinde“ zu einem westfälischen Erinnerungsort bis heute geworden. SK
Stefan Kötz
Maße
Höhe 4.2 cm Breite 4.4 cm
Material
Silber Inventarnummer
V-18 LM Standort
Nicht ausgestellt Kunstwerk des Monats
KdM_06_2017.pdf