Erasmus Desiderius von Rotterdam (1469?–1536), niederländischer Theologe und Philologe, gilt als der bedeutendste Humanist in der Renaissance, der nördlich der Alpen gelebt hat. Er hat sich vor allem um die Übersetzung und Verbreitung lateinischer und griechischer Texte antiker Autoren verdient gemacht. Auf der Radierung von Hieronymus Hopfer ist er streng im Profil rechts dargestellt. Auf dem Kopf trägt er eine Kappe, sein Hals verschwindet unter dem großen pelzverbrämten Kragen eines weiten Mantels. Mit einem leicht spöttisch wirkenden Lächeln blickt er nach oben. Die anatomisch korrekte Darstellung des Menschen, wie sie in der Renaissance perfektioniert wird, sowie der neutrale Hintergrund sind typisch für Hopfer. Am unteren Bildrand erhebt sich über einem grasbewachsenen Erdhügel ein kleiner Grenzstein in Form einer Büste. Diese stellt den altrömischen Gott „Terminus“, den Gott der Grenzen und seit 1509 das Emblem Erasmus´, dar. Für Erasmus sind dabei jedoch nicht die irdischen Grenzen, sondern auch die Grenze zwischen Leben und Tod gemeint. Mit den am unteren Rand der Radierung lautenden Worten „DER TOD IST DIE LEST LINI DER DING ICH WEICH KAIM“ nimmt Hopfer darauf Bezug. Die eingravierte Zahl „70“ in der linken unteren Ecke deutet darauf hin, dass es sich bei dem Bildnis um einen späteren Abzug von der Eisenplatte handelt. Der Nürnberger Verleger David Funck kaufte im 17. Jahrhundert nämlich die Platten der Familie Hopfer auf, versah jede mit einer Nummer und brachte von diesen durchnummerierten Platten Abzüge in Umlauf, die sich heute in den bedeutenden Kupferstichkabinetten der Welt befinden. Originalradierungen von der Hand Hopfers kommen dagegen nur äußerst selten auf dem Kunstmarkt vor. Annika Klotz

Porträtarchiv Diepenbroick