Gerlachus Moses vor dem brennenden Dornbusch, um 1170
Die fünf Glasmalereien, drei alttestamentliche Szenen und zwei Fragmente einer »Wurzel Jesse«, des Stammbaums Christi, zählen zu den bedeutendsten Zeugnissen der mittelalterlichen Glasmalerei Europas. Sie wurden um 1170 von einem Laienmönch namens Gerlachus für die Westapsis der romanischen Prämonstratenser-Klosterkirche in Arnstein an der Lahn angefertigt. Auf der Scheibe mit Moses vor dem brennenden Dornbusch hat Gerlachus sich selbst, den Pinsel in der Hand, wiedergegeben – eines der ältesten Künstlerselbstbildnisse der Kunstgeschichte. Die Inschrift »Herrlicher König der Könige, erbarme dich des Gerlachus« macht deutlich, dass es sich dabei um ein Memorialbild handelt, welches das ewige Gebetsgedenken für den frommen Mönch über seinen Tod hinaus sichern sollte. Die fünf Felder waren ehemals auf zwei hochrechteckige Fenster mit halbkreisförmigem oberem Abschluss verteilt; ein drittes Fenster ist vollständig verloren. Im linken Fenster erschien über dem Bild des Dornbusches die Darstellung mit Moses und seinem Bruder Aaron, den blühenden Zweig auf dem Altar präsentierend, darüber die Übergabe der Zehn Gebote. Im mittleren Apsisfenster war die »Wurzel Jesse« zu sehen, unten der liegende Stammvater mit König David, oben Christus mit den sieben Gaben des Heiligen Geistes, zu ergänzen durch ein Zwischenstück mit der thronenden Maria. Für das verlorene rechte Fenster lassen sich neutestamentliche Szenen – Verkündigung, Heimsuchung und Geburt Christi – annehmen. Diese Rekonstruktion fußt auf der Tatsache, dass sich der gesamte Zyklus inhaltlich auf einen Marienhymnus aus Arnstein bezieht, der die Jungfräulichkeit der Gottesmutter preist. Dies entspricht der Auswahl und typologischen Gegenüberstellung von Szenen des Alten und Neuen Testaments: So wie der Dornenbusch Feuer fängt, ohne von den Flammen verzehrt zu werden, bleibt die Geburt Christi frei von der Erbsünde. Die Beschaffenheit des Glases selbst galt als Sinnbild für die Unbefleckte Empfängnis. Das Arnsteiner Stift wurde 1139 durch Prämonstratenser aus Magdeburg begründet. Es erstaunt daher nicht, dass die künstlerischen Wurzeln der »Gerlachusscheiben«, ihre üppige und zugleich fein stilisierte Ornamentik, in der sächsisch-westfälischen Buchmalerei liegen. PM Erworben mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der WestLB AG, der Kunststiftung NRW, und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe; Miteigentum der Bundesrepublik Deutschland Literatur: Frank Martin: Moses vor dem brennenden Dornbusch mit Bildnis des Meisters Gerlachus. In: Wittekind, Susanne (Hg.): Romanik. Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland (Bd. 2). München 2009. Kat. Nr. 104. Daniel Parello: Fünf Felder eines typologischen Zyklus aus Arnstein. In: Kulturstiftung der Länder u. LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster (Hg.): Die Glasgemäldesammlung des Freiherrn vom Stein. Münster 2007. S. 31–39. Bruno Krings: Das Prämonstratenserstift Arnstein a. d. Lahn im Mittelalter (1139–1527). In: Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau (48). Wiesbaden 1990. S. 474–484. Petra Marx: "Gerlachusscheiben" aus Arnstein/Lahn, in: Einblicke – Ausblicke. Spitzenwerke im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, hrsg. v. Hermann Arnold, im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Wienand Verlag, Köln 2014, S. 58f.
Petra Marx 2014
Erworben mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der WestLB, der Kunststiftung NRW und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe; Miteigentum der Bundesrepublik Deutschland
Maße
Höhe 50 cm Breite 48 cm
Material
Glas, Schwarzlot, Blei Inventarnummer
L-1002 LM Standort
Raum 1.04 Kunstwerk des Monats
KdM_09_2005.pdfVerwandte Begriffe
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