
Ida Gerhardi Apachenkneipe II, um 1906
** Der Begriff „Apache“ war etwa zwischen 1900 und 1920 in der Pariser Umgangssprache gebräuchlich. Die Bezeichnung, die ursprünglich für mehrere kulturell sowie sprachlich verwandte Stammesgruppen im Südwesten der Vereinigten Staaten und im Norden von Mexiko verwendet wurde, hatte im Paris der damaligen Zeit eine Abwertung ihrer Bedeutung erfahren. So waren damals mit „Apachen“ Kriminelle, Zuhälter, Anarchisten und im Allgemeinen Außenseiter der bürgerlichen Gesellschaft gemeint. Mit dieser Verwendung ging nun auch eine negative Konnotation der indigenen Apachen einher. Seit der Kolonialisierung des amerikanischen Kontinents werden Menschen indigener Stämme verfolgt, diskriminiert und vertrieben. Bis in die Gegenwart hinein werden die mit ihnen verbundenen Klischees von Wildheit, Gesetzlosigkeit und Brutalität reproduziert. Das Museum möchte sich klar von der Verwendung des Begriffs „Apache“ im Zusammenhang mit Kriminellen im Paris des 20. Jahrhunderts distanzieren.
Der Kunsthistoriker Otto Grautoff (1876-1937) beschreibt in seinen Erinnerungen an Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts die damalige Verwendung des Wortes „Apache“. Der Begriff wurde abwertend für Ganoven, Zuhälter und auch Prostituierte genutzt, die sich in entsprechenden Kneipen trafen. Der „Caveau des Innocents“ im Hallenviertel gehörte damals zu den berüchtigtsten „Apachen“-Lokalitäten. Dennoch war die Bar nicht nur ein Anziehungspunkt der Pariser Unterwelt, sondern auch für eine Künstlerin wie Ida Gerhardi. Fasziniert von der düsteren Atmosphäre und den zwielichtigen Figuren zog es sie in Begleitung von Käthe Kollwitz (1867–1945) und dem Kunsthistoriker Wilhelm Uhde (1874–1947) immer wieder die Kneipentreppen hinab, um dieses Nachtleben mit schneller Hand und einer geradezu expressiven Farb- und Formenenergie einzufangen.
Einer ernsthaften Gefahr schien sich Gerhardi bei diesen Barbesuchen offenbar nicht ausgesetzt zu haben, im Gegenteil: Dass die „Apachen“ am liebsten Künstler:innen in ihrer Runde willkommen hießen, beobachtete Otto Grautoff ebenfalls, „vielleicht, weil sie sich diesen geistigen Abenteurern irgendwie verwandt fühlen, […], vielleicht aber auch nur, weil sie die Künstler für arm und daher nicht ausbeutungswert erachten, oder endlich aus der eitlen Schwärmerei heraus, der Künstler könne etwas aus ihnen machen.“ (Grautoff 1910, S. 784f.)
LWL-Museum für Kunst und Kultur (Hg.): Die Gemälde der Moderne 1900 bis 1960. Die Sammlungen des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster [Best.-Kat. LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster 2023], Petersberg 2023, S. 159–161.
- 1927–o. J. Nachlass der Künstlerin
- o. J.–2011 Privatbesitz, Deutschland
- 2011 erworben