
Ida Gerhardi Académi Colarossi, 1893
Ida Gerhardi verfolgte als junge Frau eine künstlerische Karriere, was zu ihrer Zeit nicht selbstverständlich war. Von ihrem Geburtsort Hagen gelangte sie über München nach Paris, wo sie Kurse an privaten Kunstakademien besuchte. Als Frau blieb ihr eine Ausbildung an den großen Kunstakademien verwehrt, und Aktmalerei wurde für Frauen generell als anstößig empfunden. Doch in Paris konnte sich Gerhardi problemlos neben männlichen Kollegen an abendlichen Aktkursen der Académie Colarossi beteiligen. Parallel wurde Unterricht in speziellen Damenklassen angeboten, in denen das Modell bekleidet blieb. Doch Künstlerinnen wie Paula Modersohn-Becker und Ida Gerhardi entschieden sich bewusst für die Männerklasse. Dass eine Teilnahme von Frauen dort eher die Ausnahme gewesen sein muss, bezeugt die 1893 angefertigte Kohlezeichnung Gerhardis von der abendlichen Unterrichtssituation. Unzählige Lampen ermöglichten das Arbeiten auch bei Dunkelheit. Während der Blick ihrer Mitschüler:innen nach vorne gerichtet ist, entschied Gerhardi sich für eine gegenläufige Perspektive. Für sie scheint die Situation des gemeinsamen Unterrichts Bedeutung gehabt zu haben. Das durch die Lampen erzeugte, schummrige Hell-Dunkel übersetzte sie anhand unterschiedlicher Graukontraste durch die Schraffur. Ausgespart bleiben die ovalen Lampenöffnungen, die über den Köpfen schweben. Ihr Abglanz erhellt die Gesichter und Kleidung der Studierenden.
Conzen, Susanne / Möller, Hilke Gesine / Trox, Eckhard (Hg.): Ida Gerhardi. Deutsche Künstlerinnen in Paris um 1900 [Ausst.-Kat. Städtische Galerie, Lüdenscheid 2012 / Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Oldenburg 2012], München 2012.
Gutbrod, Helga (Hg.): Die Malweiber von Paris. Deutsche Künstlerinnen im Aufbruch [Ausst.-Kat. Edwin-Scharff-Museum, Neu-Ulm 2015 / Kunsthalle Jesuitenkirche, Aschaffenburg 2016], Berlin 2015.
- bis 1927 Ida Gerhardi
- 1927–1992 Nachlass der Künstlerin/Malve Steinweg, Lüdenscheid, erworben durch Erbgang
- 1992 erworben durch Schenkung von Malve Steinweg, Lüdenscheid